Die Gewißheit, die alles zerstört

Ich könnte mich niemals auf ein Podium setzen, um zu reden. Das ist zu gekünstelt. Es ist reine Zeitverschwendung, sich hinzusetzen, um die Dinge in hypothetischen oder abstrakten Begriffen zu diskutieren. Ein zorniger Mensch setzt sich nicht hin, redet und führt eine angenehme Unterhaltung über den Zorn; er ist zu zornig. Also erzählen Sie mir nicht, daß Sie sich in einer Krise befänden, daß Sie zornig seien. Warum sollte man über den Zorn reden? Sie leben und sterben in der Hoffnung, daß Sie irgendwie eines Tages einmal nicht mehr zornig sein werden. Sie tragen die Last der Hoffnung, und wenn Ihnen dieses Leben hoffnungslos erscheint, dann erfinden Sie das nächste Leben. Es gibt keine weiteren Leben.

Nun, es läßt sich gewiß nicht behaupten, daß das, was Sie sagen, jemandem Hoffnung machen würde. Warum reden Sie eigentlich, wenn Sie weder Trost zusprechen noch belehren wollen?

Was soll ich denn machen? Sie kommen, ich spreche. Möchten Sie, daß ich Sie kritisiere und mit Steinen bewerfe? Das ist zwecklos, denn nichts kann Sie berühren, weil Sie um sich eine undurchdringliche Panzerung aufgebaut haben. Sie spüren nichts. Da Sie nicht imstande sind, Ihre Situation zu verstehen, reagieren Sie durch Denken, das heißt, mittels Ihrer Vorstellungen und Geistestätigkeiten. Reaktion ist Denken. Der Schmerz, den Sie bei sich durchmachen, wird hier (deutet auf sich) deutlich reflektiert, ohne daß der Schmerz selbst erfahren werden muß. Hier gibt es keine Erfahrung. In diesem natürlichen Zustand fühlt man den Schmerz der anderen, ob man sie persönlich kennt oder nicht. Vor kurzem ist mein ältester Sohn in einem Krankenhaus hier in der Nähe an Krebs gestorben. Ich habe ihn oft besucht. Freunde sagen, daß ich die ganze Zeit über bis er starb unter großen Schmerzen litt. Ich kann nichts tun. Der Schmerz ist ein Ausdruck des Lebens. Sie wollten, daß ich mich um eine Heilung des Krebsleidens bemühen sollte. Aber wenn ich den Tumor berühre, wird er nur wachsen, weil ich ihm Lebenskraft hinzufüge. Krebs ist eine Vervielfältigung von Zellen, auch das ist ein Ausdruck des Lebens, und alles, was ich vielleicht tun könnte, würde ihn nur verstärken.

Sie können also das Leiden anderer nachempfinden, sind aber selbst frei davon, stimmt das?

Leiden ist eine Erfahrung, und hier (s.o.) gibt es keine Erfahrung. Es ist nicht so, daß Sie das eine wären und das Leben etwas anderes. Es ist eine einheitliche Bewegung, und alles, was ich darüber sage, ist verwirrend und irreführend. Sie sind keine ‘Person’, keine ‘Sache’, keine für sich allein stehende Wesenheit, die von ‘anderen’ Dingen umgeben wird. Die einheitliche Bewegung ist nicht etwas, das sich erfahren ließe.

Aber wenn Sie von einem Leben ohne Erfahrung sprechen, dann klingt das für uns irrational.

Was ich sage, steht im Widerspruch zu Ihrer logischen Struktur. Sie benutzen die Logik dazu, diese trennende Struktur aufrechtzuerhalten. Ihre Fragen sind wiederum Gedanken und daher reaktiv. Alles Denken ist reaktiv. Sie versuchen verzweifelt, diese Panzerung zu schützen, diesen Schild aus Denken, und Sie haben Angst, daß die Bewegung des Lebens Ihre Grenzen zerschlagen wird. Das Leben ist wie ein hochwasserführender Fluß, er peitscht gegen das Ufer und droht die Dämme einzureißen, die um ihn errichtet wurden. Ihre Denkstruktur und das physiologische System, in dem Sie sich befinden, sind begrenzt, das Leben selbst dagegen ist es nicht. Daher empfindet der Körper das Leben in Freiheit als schmerzhaft; der ungeheure Energieausbruch, der hier stattfindet, ist ein schmerzhaftes Geschehen für den Körper; wenn er stattfindet, zerstört er jede Zelle im Körper. Sie können sich das nicht einmal in Ihren kühnsten Träumen vorstellen. Also wird das, was ich sage, in jedem Falle irreführend sein, gleichgültig, wie ich es auch formuliere.

Auch die Gurus und Priester lehren uns, daß es keine trennende Struktur gäbe und daß darin die Ursache unserer Probleme läge. Worin unterscheiden Sie sich von ihnen?

Für Sie, und für sie, sind das nur Worte. Ihr Glaube an eine einheitliche Bewegung des Lebens ist einfach ein unbegründeter Glaube, dem es jeglicher Gewißheit ermangelt. Sie haben auf eine geschickte Weise das rationalisiert, was die Gurus und die heiligen Bücher Sie gelehrt haben. Ihr Glaube ist das Ergebnis einer blinden Akzeptanz von Autorität; es ist alles Zeug aus zweiter Hand. Sie und Ihr Glaube sind nicht zu trennen. Wenn Ihr wertvoller Glaube und Ihre Illusionen an ihr Ende gelangen, tun Sie das auch. Mein Reden ist nichts weiter als die Antwort auf Ihren Schmerz, den Sie durch Ihre Fragen, durch logische Argumente und andere Geistestätigkeiten zum Ausdruck bringen.

Aber die Tatsache, daß Sie hier sitzen und viele Stunden lang sprechen, deutet doch sicherlich darauf hin, daß Sie eine Philosophie, eine Botschaft haben, selbst wenn sie von Ihren Zuhörern nicht recht verstanden wird.

Dem ist nicht so. Hier ist niemand, der spricht, der Ratschläge erteilt, Schmerzen fühlt oder irgend etwas erlebte. Es ist wie bei einem Ball, der gegen die Wand geworfen wird und zurückprallt, das ist alles. Mein Reden ist das direkte Ergebnis Ihrer Frage; hier gibt es nichts, das mein eigen wäre, keine offenen oder versteckten Verhandlungsgegenstände, kein Produkt, das es zu verkaufen gilt, auch keine Messer zu wetzen und nichts, das zu beweisen wäre.

Der Körper ist vergänglich, und wir alle streben nach einer Art Unsterblichkeit. So wenden wir uns natürlich der höheren Philosophie, der Religion und dem Spirituellen zu. Ich bin sicher, wenn wir...

Es ist der Körper, der unsterblich ist. Nach dem klinischen Tod ändert er nur seine Form und verbleibt in neuer Gestalt im Fluß des Lebens. Der Körper sorgt sich nicht um ein ‘Leben nach dem Tode’ oder irgendeine Beständigkeit. Er kämpft jetzt darum zu überleben und sich fortzupflanzen. Das fiktive ‘Jenseits’, das vom Denken aus Furcht geschaffen wurde, ist eigentlich ein Verlangen nach mehr vom gleichen, nur in modifizierter Form. Das Verlangen nach immer mehr vom gleichen ist das Verlangen nach Permanenz. Eine solche Permanenz ist dem Körper fremd. Die Forderung des Denkens nach Dauer erstickt den Körper und verfälscht die Wahrnehmung. Das Denken sieht sich nicht nur als Beschützer seiner eigenen Fortdauer, sondern wacht auch über das Fortbestehen des Körpers. Beides ist vollkommen falsch.

Es sieht so aus, als müsse ein Art radikaler Wandel stattfinden, jedoch ohne die störende Beeinflussung durch den Willen...

Wenn dieser Wandel ohne einen Willensakt Ihrerseits eintritt, dann bedeutet das das Ende. Es wird keinerlei Möglichkeit für Sie geben, es aufzuhalten oder die Situation auch nur im geringsten zu verändern. Man kann nichts tun, als das durchzumachen. Es bringt nichts, die Realität in Frage zu stellen. Stellen Sie statt dessen Ihre Ziele, Ihre Thesen und Überzeugungen in Frage. Davon müssen Sie befreit werden, und nicht von der Realität. Diese sinnlosen Fragen, die Sie stellen, werden gleichzeitig mit der unwillkürlichen Preisgabe Ihrer Ziele verschwinden. Sie sind voneinander abhängig. Das eine kann ohne das andere nicht sein.

Solche Aussichten sind kaum zu ertragen. Wir fürchten die Vergessenheit, die völlige Vernichtung.

Wenn Sie ertrinken, dann ertrinken Sie. Sie werden nicht untergehen. Aber welchen Wert haben denn meine Zusicherungen für Sie? Gar keinen, fürchte ich. Sie werden damit fortfahren, das zu tun, was Sie tun; es kommt Ihnen nicht einmal in den Sinn, wie bedeutungslos das alles ist. Ich sage Ihnen, wenn Sie damit aufhören, die Dinge deshalb zu tun, weil Sie Hoffnung und den Wunsch nach einem Fortbestehen haben, dann wird auch alles andere aufhören, was damit im Zusammenhang steht. Sie werden sich über Wasser halten können. Aber Sie haben immer noch die Hoffnung: „Es muß doch irgendeine Möglichkeit geben. Vielleicht stelle ich es nur nicht richtig an.“ Mit anderen Worten, wir müssen die Absurdität dessen einsehen, uns auf irgend etwas verlassen zu können. Wir müssen uns unsere Hilflosigkeit eingestehen.

Wir können einfach nicht anders, als zu glauben, daß es eine Lösung für unsere Probleme geben müsse.

Ihre Probleme dauern deshalb fort, weil sie sich die falschen Lösungen dafür ausgedacht haben. Wenn es keine Antworten gibt, kann es auch keine Fragen geben. Sie sind voneinander abhängig. Ihre Probleme und deren Lösungen gehören zusammen. Weil Sie auf bestimmte Antworten warten, die Ihre Probleme beenden sollen, hören die Probleme niemals auf. Die zahlreichen Lösungen, die von all den geistlichen Herren, den Psychologen und den Politikern angeboten werden, sind in Wirklichkeit gar keine Lösungen. Das ist offensichtlich. Wenn es legitime Antworten wären, dann gäbe es keine Probleme. Alles, was diese Menschen können, ist, Sie zu ermahnen, sich noch mehr anzustrengen, weitere Meditationen zu praktizieren, sich der Bescheidenheit zu befleißigen, auf dem Kopf zu stehen und dergleichen mehr. Das ist alles, was sie können. Der Lehrer, Guru oder Anführer, der Lösungen anbietet, ist ebenso falsch wie seine sogenannten Antworten. Er verrichtet keine ehrliche Arbeit, sondern verkauft nur seine billige, schäbige Handelsware auf dem Marktplatz. Wenn Sie Ihre Hoffnung, Ihre Angst und Naivität abstreifen würden und diese Burschen wie Geschäftsleute behandelten, dann würden Sie erkennen, daß sie die zugesagten Güter niemals liefern werden. Aber Sie kaufen immer wieder diese falschen Waren, die Ihnen von den ‘Experten’ angeboten werden.

Aber dieses ganze Gebiet ist so kompliziert, daß wir es für erforderlich halten, uns auf jene zu verlassen, die es sorgfältig studiert haben und ihr ganzes Leben der Selbsterkenntnis und der Weisheit gewidmet haben.

Deren gesamte Philosophien lassen sich nicht mit der angeborenen Weisheit des Körpers vergleichen. All das, was sie als geistige Aktivität bezeichnen, die spirituelle und emotionale Aktivität, und was sie Gefühle nennen, ist in Wirklichkeit nur ein einheitlicher Vorgang. Dieser Körper ist hochintelligent, und er braucht diese wissenschaftlichen oder theologischen Lehren nicht, um überleben zu können und sich fortzupflanzen. Lassen Sie alle Ihre Phantasievorstellungen über das Leben, den Tod und die Freiheit fallen, und der Körper wird unversehrt bleiben und harmonisch funktionieren. Er braucht Ihre oder meine Hilfe nicht. Sie müssen gar nichts tun. Sie werden niemals mehr törichte, idiotische Fragen über die Unsterblichkeit, das Leben nach dem Tode oder den Tod selbst stellen. Der Körper ist unsterblich.

Sie haben uns gnadenlos jede Möglichkeit zur Rehabilitierung versperrt und uns somit auch die letzte Hoffnung genommen, diesem unglückseligen Zustand zu entrinnen. Da scheint doch nur die Selbstzerstörung übrigzubleiben. Warum also nicht Selbstmord begehen?

Wenn Sie Selbstmord begehen, trägt das in keiner Weise zur Verbesserung der Situation bei. Im Augenblick nach dem Eintritt des Todes beginnt der Körper zu verwesen und kehrt zu anderen, andersartig organisierten Lebensformen zurück, und somit geht gar nichts zu Ende. Das Leben hat keinen Anfang und kein Ende. Ein toter Körper ist Nahrung für die hungrigen Ameisen im Grab, und eine verrottende Leiche gibt Chemikalien ab, die den Boden anreichern und die ihrerseits wieder andere Lebensformen ernähren. Sie können Ihrem Leben kein Ende setzen, das ist unmöglich. Der Körper ist unsterblich und stellt niemals so dumme Fragen wie: „Gibt es Unsterblichkeit?“ Er weiß, daß er in dieser bestimmten Form an sein Ende kommen wird, nur um in anderen Formen weiterzubestehen. Fragen über das Leben nach dem Tod werden immer aus Angst heraus gestellt.

Diejenigen Führer, die über Ihr ‘spirituelles Leben’ bestimmen möchten, können in diesen Dingen nicht aufrichtig sein, denn ihr Geschäft lebt von der Angst, von Spekulationen über ein künftiges Leben und das ‘Geheimnis’ des Todes.

Und was Sie, die Anhänger, anlangt - Sie sind nicht wirklich an der Zukunft des Menschen interessiert, sondern nur an Ihrem eigenen kleinen Schicksalen. Für Sie ist es so etwas wie ein Ritual, stundenlang über die Menschheit, das Mitgefühl und dergleichen zu reden. Sie sind an sich selbst interessiert, sonst gäbe es dieses kindische Interesse an künftigen Leben und Ihrem unmittelbar bevorstehenden Hinscheiden nicht.

Aber für viele von uns ist das Leben etwas Heiliges. Wir kämpfen darum, unsere Kinder und die Natur zu schützen, einen neuen Krieg zu vermeiden...

Sie sind alle neurotische Menschen. Sie reden über Geburtenkontrolle, schwafeln immerfort über den Wert des Lebens, um dann zu bombardieren und zu massakrieren. Es ist zu absurd. Sie sorgen sich um ungeborenes Leben, während Sie Hunderttausende von Menschen durch Bomben, Hunger, Armut und Terrorismus töten. Ihre ‘Achtung’ vor dem Lebens besteht nur darin, es zu  einem politisch relevanten Thema zu machen. Das ist eine rein akademische Diskussion. Daran bin ich nicht interessiert. 

Ja, aber viele von uns sehen das alles und sind dennoch daran interessiert, die Dinge zu verändern. Es ist nicht nur Egoismus unsererseits.

Sind Sie wirklich interessiert? Sind Sie an der Zukunft der Menschheit interessiert? Ihre Zornesäußerungen und die Art und Weise, wie Sie Ihrer Rechtschaffenheit und Sorge Ausdruck geben, bedeuten mir gar nichts. Das ist nur ein Ritual. Sie sitzen da und reden, das ist alles. Sie sind überhaupt nicht zornig. Wenn Sie in diesem Moment zornig wären, dann würden Sie diese Frage nicht stellen, nicht einmal sich selbst. Sie sitzen ständig da und reden über Zorn. Der Zornige würde nicht darüber sprechen. Der Körper hat auf diesen Zorn schon reagiert, indem er ihn absorbiert hat. Der Zorn wird auf der Stelle verbrannt und erledigt. Sie tun überhaupt nichts; der Körper absorbiert ihn ganz einfach. Das ist alles. Wenn das zuviel für Sie ist, oder wenn Sie das alles deprimiert, so gehen Sie doch niemals zu den geistlichen Herren hin. Schlucken Sie Pillen, tun Sie irgendwas, nur erwarten Sie nicht, daß das ‘Heilige Geschäft’ Ihnen helfen wird. Das ist nur Zeitverschwendung.

Sie bringen mich soweit, daß ich das Ganze am liebsten hinwerfen, ihm entsagen möchte.

Solange Sie glauben, es gäbe etwas, dem Sie entsagen müßten, sind Sie verloren. Nicht an Geld und die anderen Notwendigkeiten des Lebens zu denken, ist eine Krankheit. Es ist eine Perversion, sich die grundlegenden Lebensbedürfnisse zu versagen. Sie glauben, Sie könnten Ihr Bewußtsein durch selbstauferlegtes Asketentum erweitern und dann dieses Bewußtsein dazu zu benutzen, glücklich zu sein. Sie haben keine Chance. Sie werden dann friedvoll sein, wenn Sie alle Ihre Vorstellungen über ein erweitertes Bewußtsein fallengelassen haben und anfangen, wie ein Computer zu funktionieren. Sie müssen wie eine Maschine sein, die automatisch in dieser Welt funktioniert, und dürfen Ihre Handlungen niemals bevor, während oder nachdem Sie sie ausführen, in Frage stellen.

Bestreiten Sie die Wichtigkeit yogischer Übungen, des religiösen Entsagens oder den Wert einer sittlichen Erziehung? Gewiß ist der Mensch doch mehr als eine Maschine.

Alle sittlichen, spirituellen und ethischen Werte sind falsch. Die Psychologen, die nach einem pragmatischen Ausweg suchen, sind am Ende ihrer Weisheit angelangt, selbst sie wenden sich an die spirituellen Menschen, um Antworten zu finden. Sie wissen nicht mehr weiter, und doch müssen die Antworten von ihnen kommen und nicht von den verkrusteten, nutzlosen Traditionen des ‘Heiligen Geschäfts’.

Das macht uns alle so hilflos. Kein Wunder, daß sich die Leute auf Messiasse, Mahatmas und Propheten verlassen haben...

Die sogenannten Erlöser haben nichts als Elend auf dieser Welt hinterlassen. Wenn ein moderner Messias vor Ihnen stünde, so wäre er nicht imstande, Ihnen zu helfen. Und wenn er nicht helfen kann, dann kann es niemand.

Wenn ein Erwählter, ein Retter oder ein Weiser zum Beispiel, nicht helfen kann, dann ist es vielleicht so, wie die Schriften sagen, daß „wir die Wahrheit erkennen müssen, und die Wahrheit wird uns frei machen.“

WAHRHEIT ist eine Bewegung. Sie können sie nicht einfangen und einschließen, ihr Ausdruck verleihen oder sie dazu benutzen, Ihre Interessen zu vertreten. In dem Moment, in dem Sie sie fassen, hört sie auf, Wahrheit zu sein. Was für mich die Wahrheit ist, das ist etwas, das Ihnen unter keinen Umständen vermittelt werden kann. Diese Gewißheit hier kann an niemanden weitergegeben werden. Aus diesem Grund ist das ganze Guru-Geschäft absoluter Unsinn. Das war immer so und ist es nicht erst heute. Ihre Selbstverleugnung dient nur dazu, die Priester zu bereichern. Sie versagen sich selbst die Grundbedürfnisse, während dieser Mann in einem RollsRoyce herumfährt, wie ein König ißt und wie ein Potentat behandelt wird. Er und seine Kollegen im ‘Heiligen Geschäft’ werden von der Dummheit und Einfältigkeit der anderen reich. In ähnlicher Weise leben auch die Politiker von der Leichtgläubigkeit des Menschen. Es ist überall dasselbe.

Sie betonen immer wieder die negative Seite und gehen von der klassischen ‘Neti-Neti [1] –These aus. Weisen Sie denn nicht auf die Notwendigkeit hin, daß man alles überflüssige Gepäck loswerden müsse, einschließlich aller Schriften, Gurus und Autoritäten, wenn man den Zustand finden möchte, von dem Sie andeuten, daß er unser natürliches Geburtsrecht sei?

Nein. Es ist lächerlich, die Gurus, Tempel und heiligen Bücher abschaffen zu wollen, um damit eine Rezeptur für die Freiheit zu haben. Sie suchen nur deshalb nach Antworten, um ein Heilmittel für Ihre Probleme zu erhalten und Schmerzen zu vermeiden. Aber das ganze Leben ist ein einziger Schmerz. Ihre Geburt ist Schmerz. Alles, was geboren wird, ist schmerzhaft. Es hat keinen Sinn zu fragen, warum dem so ist. Es ist so. Sie glauben, daß Sie, indem Sie sich von den Gurus und Autoritäten lossagen, eine Art göttliches Leiden erdulden; das Ertragen von Schmerzen wird Ihnen in spiritueller Hinsicht nicht weiterhelfen. Es gibt keinen Weg.

Aber wir wissen, daß Sie mehr als nur ein Fatalist sind, Sie sind ein Zyniker. Sie zeigen auf, daß es ein anderes Schicksal für den Menschen geben kann und beurteilen nicht nur sein gegenwärtiges Dilemma, nicht wahr?

Es gibt eine Lösung für Ihre Probleme - den Tod. Diese Freiheit, an der Sie interessiert sind, kann nur zum Zeitpunkt des Todes entstehen. Jedermann erreicht schließlich Moksha, denn Moksha deutet immer auf den sich nahenden Tod hin, und jeder stirbt.

Aber ich vermute, daß Sie damit nicht nur einen Tod im poetischen oder phantasievollen Sinne meinen. Sie beschreiben nicht einen psychologischen, romantischen oder abstrakten Tod, sondern den wirklichen, tatsächlichen, physischen Tod, nicht wahr?

Ja. Wenn man stirbt, ist der Körper hinfällig geworden, er hört auf zu funktionieren, und damit ist es zu Ende. Aber in diesem Falle hat sich der Körper irgendwie erneuert. Jetzt geschieht das wie selbstverständlich täglich; es dauerte Jahre, bis sich der ganze Vorgang stabilisiert hatte. Für mich sind Leben und Tod eins, es sind nicht zwei verschiedene Dinge. Ich möchte Sie warnen, denn wenn das, worauf Sie abzielen - Moksha - wirklich geschieht, dann werden Sie sterben. Es wird ein physischer Tod sein, denn um in diesen Zustand zu kommen, muß ein physischer Tod eintreten. Es ist, als ob Sie mit dem Kontrollieren des Atems herumspielen, weil Sie das amüsant finden. Aber wenn Sie Ihren Atem lange genug anhalten, ersticken Sie.

Also müssen wir uns des Todes gewahr werden, ihn zum Objekt unserer Meditationen machen und ihn auf eine romantische und mystische Weise behandeln?

Diesen Zustand als einen meditativen Zustand voll des Gewahrseins zu beschreiben, ist romantischer Blödsinn. Gewahrsein! Was für ein phantastischer Trick, um sich selbst und andere zum Narren zu halten. Sie können sich nicht jeder Ihrer Schritte gewahr werden, Sie werden sich nur Ihrer selbst bewußt und unbeholfen, wenn Sie das tun. Ich kannte einmal einen Mann, der war Lotse. Der hatte über ‘passives Gewahrsein’ gelesen und versuchte, das in die Praxis umzusetzen. Dabei hätte er fast, und zum ersten Mal, Schiffbruch erlitten. Gehen ist automatisch, und wenn Sie versuchen, sich jeden Schrittes gewahr zu werden, werden Sie den Verstand verlieren. Also erfinden Sie keine meditativen Schritte. Die Dinge sind schon schlimm genug. Der meditative Zustand ist schlimmer.

Aber Sie können doch nicht einfach alles hinwegfegen... alles, was uns heilig ist?

Natürlich kann ich das; es ist alles nur imaginäres Zeug. Wenn ich Ihnen ein Heilmittelchen anböte, würde es auch nur zu einem Teil Ihrer Suche werden, das bedeutet noch mehr imaginärer Unsinn. Daher werde ich es nie müde zu sagen, daß ich keine Ware zu verkaufen habe, und noch viel weniger kann ich Ihnen neuere und bessere Methoden bieten, mit denen Sie Ihre Suche fortsetzen könnten. Ich stelle die Gültigkeit dieser Suche vollkommen in Abrede. Hier werden Sie nichts bekommen. Versuchen Sie Ihr Glück anderswo.

Aber Sie sind doch gewiß menschlich und wollen der Menschheit zu Diensten sein, selbst wenn das nur aus Mitleid geschieht?

Wer hätte mich zum Erlöser erkoren? Sie haben zahlreiche Heilige, Propheten und Erretter, die Ihnen dienen möchten. Warum ihnen noch einen hinzufügen? Jesus sagt: „Klopfet an, und Euch wird aufgetan. Kommet zu mir alle.“ Aus gewissen Gründen kann ich das nicht tun. Wir haben über viele Dinge gesprochen. Vielleicht ist es besser, wenn wir diese Unterhaltung morgen fortsetzen.

Dann bis morgen.

Ich danke Ihnen.

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Aus dem, was Sie gestern gesagt haben, scheint hervorzugehen, daß man, um das zu tun, was Sie gemacht haben, nämlich zu sterben, geistig völlig gesund sein muß. Als wir gestern unser Gespräch beendeten, sagten Sie, man müsse wirklich sterben, um Freiheit oder Moksha zu entdecken. Ein solch radikaler Schritt kann nicht von einem romantischen, neurotischen Menschen getan werden. Es ist die Tat eines Menschen, der frei ist von der völligen Inanspruchnahme durch sich selbst, von neurotischen Episoden und von Selbstmitleid. Gibt es eine Möglichkeit, das zu lehren? Können die Menschen dazu erzogen werden, geistig gesund zu sein?

Ich glaube nicht an Erziehung. Man kann eine Technik lehren - Mathematik, Automechanik - aber keine Integrität. Wie kann man die Menschen lehren, nicht habgierig und nicht ehrgeizig zu sein, in einer Gesellschaft, die in unglaublicher Weise habgierig und ambitiös ist? Alles, was Sie damit erreichen werden, ist, sie noch neurotischer zu machen.

Sehen Sie; Sie sind ein Betrüger. Ihre religiösen Ambitionen sind nicht anders als die Ambitionen eines Geschäftsmannes. Wenn Sie nicht betrügen können, dann stimmt etwas nicht. Wie, glauben Sie, ist der reiche Mann zu seinem großen Vermögen gekommen? Dadurch, daß er Vorträge darüber hielt, man dürfe nicht habgierig, sondern müsse selbstlos sein? Bestimmt nicht. Er erhielt es, indem er jemanden betrog. Die Gesellschaft, die von Grund auf unmoralisch ist, sagt, daß Betrügen unmoralisch sei und Nichtbetrügen moralisch. Ich sehe da keinen Unterschied. Wenn Sie geschnappt werden, steckt man Sie ins Gefängnis, und für Ihr Essen und die Unterkunft ist gesorgt. Warum sich also Sorgen machen? Es sind Ihre Schuldgefühle, die Sie veranlassen, darüber zu reden, daß man nicht habgierig sein dürfe, während Sie mit Ihrem gierigen Leben fortfahren. Ihre Nicht-Habgier wurde vom Denken erfunden, um Sie von der Tatsache absehen zu lassen, daß da nichts ist außer Habgier. Aber mit dem, was ist, sind Sie nicht zufrieden. Wenn es sonst nichts gäbe, was würden Sie dann tun? Aber das ist schon alles. Sie müssen einfach damit leben. Sie können dem nicht entkommen. Alles, was das Denken kann, ist, sich immer und immer zu wiederholen. Das ist alles, was es kann. Und alles sich ständig Wiederholende ist senil.

Die Meditation scheint weniger monoton und tiefer zu sein als das gewöhnliche Denken. Und doch ist sie unbefriedigend.

Wenn Ihre Meditationen, Sadhana, Methoden und Techniken auch nur irgendeinen Sinn hätten, dann wären Sie nicht hier, um diese Fragen zu stellen. Für Sie sind sie alle ein Mittel, um eine Veränderung herbeizuführen. Ich bleibe dabei, daß es nichts zu verändern oder zu transformieren gibt. Sie nehmen es wie einen Glaubensartikel hin, daß es etwas zu verändern gäbe. Sie stellen niemals die Existenz desjenigen in Frage, der verändert werden soll. Der ganze geheimnisvolle Nimbus der Erleuchtung beruht auf der Idee, sich selbst zu transformieren. Ich kann Ihnen meine Gewißheit, daß Sie, und alle Autoritäten über die Jahrhunderte hinweg, Unrecht haben, nicht vermitteln oder auf Sie übertragen. Sie und die spirituellen Güter, die sie vertreiben, sind völlig falsch. Da ich über diese Gewißheit nicht kommunizieren kann, wäre es für mich nutzlos und artifiziell, wenn ich mich auf ein Podium begäbe, um mich darüber auszulassen. Ich ziehe es vor, informell zu sprechen; ich sage einfach: „Es war nett, Sie kennengelernt zu haben.“

Warum reden Sie dann überhaupt?

Es liegt kein besonderer Reiz darin, antisozial zu sein. Ich gebe den Menschen nicht das, was sie haben wollen. Wenn sie erkennen, daß sie hier nicht bekommen, was sie gerne haben möchten, dann gehen sie unweigerlich weg. Und wenn sie zum letzten Male von hier fortgehen, dann gebe ich dem Reisenden noch gerne den Satz mit: „Sie werden es nirgendwo bekommen.“

Wenn die Menschen kommen, um zu reden, dann werden sie mit der Stille selbst konfrontiert. Daher ist jeder, der kommt, hinterher still. Wenn er die Stille nicht aushält und darauf besteht, zu reden und über die Dinge zu diskutieren, dann gerät er gezwungenermaßen in einen Widerspruch, und er wird weggehen. Aber wenn Sie lange dableiben, werden Sie still werden, nicht weil dies so außerordentlich überzeugend wäre und rationaler als Sie es sind, sondern weil die Stille selbst diese Bewegung zum Schweigen bringt.

Hier wird alles von der Stille verbrannt. Alle Erfahrungen werden verbrannt. Daher erschöpft mich das Sprechen mit den Menschen nicht. Es ist Energie für mich. Darum kann ich den ganzen Tag lang reden, ohne Müdigkeit zu zeigen. Das Sprechen mit den vielen Menschen über viele Jahre hinweg ist ohne Auswirkungen auf mich geblieben. Alles, was sie oder ich gesagt haben, wurde hier verbrannt, ohne eine Spur zu hinterlassen. Das ist unglücklicherweise bei Ihnen nicht der Fall.

Wie fügt sich die Intelligenz in all dies ein? Sie scheinen darauf hinzuweisen, daß es eine angeborene Intelligenz gibt, die nichts mit der Anhäufung von Wissen und mit Techniken zu tun hat.

Intelligenz bedeutet, seine Begrenzungen zu akzeptieren. Sie versuchen, sich von diesen naturgegebenen Begrenzungen zu befreien, und das ist die Ursache Ihrer Sorgen und Ihres Schmerzes. Ihre Handlungen sind solcherart, daß die eine Handlung die nächste limitiert. Die Handlung dieses Augenblicks begrenzt die nächste Handlung. Diese Aktion ist eine Reaktion, die Frage der Handlungsfreiheit erhebt sich überhaupt nicht. Dazu bedarf es auch keiner fatalistischen Philosophie. Das Wort ‘Karma’ bedeutet eine Aktion ohne Reaktion. Jede Handlung Ihrerseits begrenzt die darauf folgende.

Jede Aktion, die auf der bewußten Ebene Ihrer denkenden Existenz stattfindet, ist eine Reaktion. Reine, spontane Handlung, die frei ist von allen vorhergegangenen Handlungen, ist sinnlos. Die einzig wirkliche Handlung ist die Antwort dieses lebendigen Organismus auf die ihn umgebenden Stimuli. Dieser Stimulus-Reaktions-Prozeß ist ein einheitliches Phänomen. Es gibt keine Trennung zwischen Aktion und Reaktion, außer, wenn das Denken dazwischentritt und sie künstlich auseinanderhält. Ansonsten ist das ein automatischer, einheitlicher Vorgang, und es gibt nichts, das Sie tun könnten, um ihn zu stoppen. Es besteht auch keine Notwendigkeit dafür, ihn zu stoppen.

Ebenso wie es in Wirklichkeit keine Trennung zwischen Aktion und Reaktion gibt, gibt es auch in der natürlichen Anordnung der Dinge keinen Platz für ’den Geistlichen‘. Die frische Bewegung, die das Leben bringt, bedroht seine Quelle von Macht und Prestige. Und doch will er sich nicht zurückziehen. Er muß hinausgeworfen werden. Die Religion ist keine vertraglich festgelegte Vereinbarung, weder im öffentlichen noch im privaten Bereich.  Sie hat nichts mit der sozialen Struktur oder ihrer Verwaltung zu tun. Die geistliche Autorität möchte ihre Macht über die Menschen aufrechterhalten, aber die Religion ist eine gänzlich individuelle Angelegenheit. Den Heiligen und Errettern ist es nur gelungen, Sie ziellos und verloren einem Leben voller Schmerz und Elend zu überlassen, verbunden mit dem rastlosen Gefühl, daß es etwas Bedeutungsvolleres und Interessanteres gäbe, das man aus seinem Leben machen könnte.

Die Existenz ist das einzig wichtige, und nicht, wie man lebt. Wir haben das ‘Wie-soll-man-leben?’ geschaffen, was seinerseits dieses Dilemma für uns geschaffen hat. Ihr Denken schafft die Probleme - was soll man essen, was anziehen, wie muß man sich benehmen - dem Körper ist das ganz egal. Ich weise nur auf die Absurdität dieser Unterhaltung hin. Wenn Sie einmal dahintergekommen sind, dann gehen Sie einfach weg. Ich habe keine Botschaft für die Menschheit.

Wir haben irreversible Kräfte in Bewegung gesetzt. Wir haben den Himmel, das Wasser, einfach alles vergiftet. Die Naturgesetze kennen keine Belohnung, sondern nur die Strafe. Die Belohnung besteht lediglich darin, daß man in Harmonie mit der Natur lebt. Das Problem fing an, als der Mensch beschloß, das ganze Universum sei ausschließlich zu seinem Vergnügen erschaffen worden. Wir haben unsere Vorstellung von Evolution und Fortschritt über die Natur gestülpt. Unser Verstand - und es gibt keinen individuellen Verstand, nur den Verstand, das ist die Anhäufung des gesamten Wissens und der Erfahrung des Menschen - hat die Vorstellung von Psyche und Evolution geschaffen. Nur die Technologie schreitet voran, während sich die ganze menschliche Rasse der vollständigen und totalen Vernichtung ihrer selbst und der Welt nähert. Alles im Bewußtsein des Menschen treibt die ganze Welt, die von der Natur so mühevoll geschaffen wurde, der Vernichtung entgegen. Im Denken des Menschen hat es keinen qualitativen Wandel gegeben; wir empfinden unseren Nachbarn gegenüber das gleiche, wie es schon der furchtsame Höhlenbewohner mit den seinen tat. Das einzige, was sich geändert hat, ist das Ausmaß unserer Fähigkeit, unseren Nachbarn und sein Eigentum zu zerstören.

Gewalt ist ein integrierter Teil des evolutionären Prozesses. Diese Gewalt ist für das Überleben des lebendigen Organismus notwendig. Sie können die Wasserstoffbombe nicht verdammen, denn sie ist wie der Polizist, sie ist nur eine Erweiterung Ihres Verlangens danach, beschützt zu werden. Wo wollen Sie die Grenze ziehen? Sie können es nicht. Es gibt keine Möglichkeit für uns, das Ganze zurückzudrehen.

Die Humanitarier bestehen darauf, daß der Mensch eine Fähigkeit zur Liebe besäße und daß die Liebe die Lösung sei, um der gegenseitigen Vernichtung zu entgehen. Könnte das stimmen?

Haß und Liebe sind genau dasselbe. Beide zusammen haben sie in Massakern, Meuchelmorden und Kriegen resultiert. Das ist Geschichte und nicht meine Meinung. Der Buddhismus hatte in Japan Entsetzliches zur Folge. Es ist überall das gleiche. Alle unsere politischen Systeme, ob im Osten oder im Westen, sind aus diesem religiösen Denken heraus entstanden. Wie können Sie denn in Anbetracht dieser Tatsachen überhaupt einen Glauben an die Religion aufbringen? Wozu sollte es gut sein, die ganze Vergangenheit wiederzubeleben, diese nutzlose Vergangenheit? Weil Ihr Leben für Sie keinen Sinn hat, befassen Sie sich ständig mit der Vergangenheit. Sie werden nicht einmal getrieben. Ihr Leben ist vollkommen richtungslos. Offensichtlich finden Sie in ihm keinen Sinn, denn sonst würden Sie nicht in der Vergangenheit leben. 

Was Ihnen nicht geholfen hat, kann auch sonst niemandem helfen. Es ist gleichgültig, was ich sage, Sie werden es auf Ihre eigene Weise zum Ausdruck bringen. Sie haben das, was ich sage, schon für sich in Beschlag genommen und machen einen neuen Ismus, eine Ideologie, daraus und ein Mittel, etwas zu bekommen. Was ich zu sagen versuche, ist, daß Sie es für sich selbst herausfinden müssen. Aber lassen Sie sich nicht dahingehend in die Irre führen, anzunehmen, daß das, was Sie finden werden, für die Gesellschaft von irgendeinem Nutzen sein könnte, daß es gebraucht werden könnte, um die Welt zu retten. Sie sind fertig mit der Gesellschaft, das ist alles.

Das, was jeder für sich selbst entdecken muß, ist Gott oder die Erleuchtung, nicht wahr?

Nein. Gott ist das ultimative Vergnügen, das ununterbrochene Glück. So etwas existiert nicht. Daß Sie etwas wollen, was es nicht gibt, ist die eigentliche Ursache Ihres Problems. Wandlung, Moksha, Befreiung und all dieses Zeug sind nur Variationen desselben Themas: permanentes Glück. Der Körper kann das nicht aushalten. Das Vergnügen beim Sex ist seiner Natur nach temporär. Der Körper kann nicht über einen längeren Zeitraum hinweg einem ununterbrochenem Genuß ausgesetzt sein, er würde dabei zerstört werden. Dem Körper einen im Reich der Phantasie liegenden permanenten Zustand des Glücks aufoktroyieren zu wollen, stellt ein ernsthaftes neurologisches Problem dar.

 Aber die Religionen warnen doch vor der Vergnügungssucht. Man wird durch Gebete, Meditation und verschiedene Übungen dazu ermutigt, das bloße Vergnügen zu transzendieren...

Sie verkaufen Ihnen spirituelles Morphium. Sie nehmen diese Droge und legen sich schlafen. Jetzt haben die Wissenschaftler die Glückspillen verbessert, es ist viel einfacher, sie einzunehmen. Es kommt Ihnen niemals in den Sinn, daß die Erleuchtung und der Gott, hinter denen Sie her sind, nur das ultimative Vergnügen sind, und darüber hinaus ein Vergnügen, das Sie erfunden haben, um sich aus dem schmerzhaften Zustand, in dem Sie sich dauernd befinden, zu befreien. Ihr schmerzhafter, neurotischer Zustand wird dadurch verursacht, daß Sie zwei sich widersprechende Dinge gleichzeitig wollen.

Aber irgendwie scheinen Sie frei von all diesen Widersprüchen zu sein, und obwohl Sie behaupten, sich nicht in einem Zustand ständiger Glückseligkeit zu befinden, so scheinen Sie doch im wesentlichen glücklich zu sein. Wie kommt es, daß Ihr Leben, im Gegensatz zu dem anderer, diesen Kurs genommen hat?

Wenn ich die Geschichte meines Lebens erzähle, kommt es mir so vor, als beschriebe ich das Leben eines anderen. Wenn ich mein Leben betrachte, so gibt es da keine Bindungen, kein Gefühl und keinen emotionaler Gehalt. Sie bekommen den falschen Eindruck, wenn Sie annehmen, ich würde irgendwelche privaten oder mir teure Gedanken oder Gefühle bezüglich meiner Vergangenheit hegen.

Zum erstenmal hat ein Mann mit seiner religiösen Vergangenheit gebrochen (er bezieht sich auf J. Krishnamurti, Anm. d. H.), und schon sind seine Lehren unzeitgemäß, überholt und irreführend. J.K. hat die psychologische Erklärweise gewählt, und die ist schon wieder passé. Sie können J.K. nicht zerstören, aber das Gedankengebilde, das er geschaffen hat, ist schon wieder überholt und nutzlos. Das Problem ist kein psychologisches, sondern es ist physiologischer Natur. Dieser Körper hat sich im Grunde seit Hunderttausenden von Jahren nicht verändert. Seine Neigung, Anführern zu folgen, Einsamkeit zu meiden, Kriege zu führen und Gruppen zu bilden, liegt in der genetischen Veranlagung der Menschheit begründet und ist Teil seines biologischen Erbes.

Wenn wir einmal die Frage beiseite lassen, ob es für einen Organismus, der schon genetisch darauf programmiert ist, brutal und kriegerisch zu sein, so etwas wie Gut und Böse gibt - sind es denn nicht die religiösen Übungen (Meditation, Yoga, Bescheidenheit usw.) die versuchen, dem Menschen dabei zu helfen, seine biologischen Beschränkungen zu überkommen?

Die Meditation selbst ist von Übel. Daher kommt es, daß all die schlimmen Gedanken in Ihnen aufsteigen, wenn Sie zu meditieren versuchen. Im übrigen gibt es keinen Bezugspunkt, der festlegen würde, ob Ihre Gedanken gute oder böse Gedanken sind. Die Meditation ist ein Kampf. Die Gurus verheißen Ihnen den Frieden am Ende der Schlacht, Sie aber erleiden nur noch mehr Schmerzen. Ich versichere Ihnen, daß das Ziel, das Sie mit Hilfe von Meditation und Moksha erreichen wollen, lediglich etwas ist, das Sie von Ihrer Kultur übernommen haben, und ich sage Ihnen auch, daß Sie am Ende nichts als Pein dafür bekommen werden. Sie können vielleicht ein paar kleine mystische Erfahrungen machen, die aber weder für Sie noch für sonst jemanden von irgendwelchem Wert sind.

Aber an solch kleinen Erfahrungen sind wir nicht interessiert, was wir wollen, ist Freiheit...

Worin besteht denn der Unterschied, ob Sie diese Freiheit, diese Erleuchtung nun finden oder nicht? Sie werden nicht da sein, um einen Nutzen aus ihr ziehen zu können. Wofür sollte dieser Zustand denn eigentlich gut sein? Dieser Zustand nimmt Ihnen alles, was Sie haben. Daher nennen sie ihn ‘Jivanmukti’ - Leben in Freiheit. Während er lebte, ist der Körper gestorben. Irgendwie wird dieser Körper, der durch den Tod hindurchgegangen ist, am Leben erhalten. Das ist weder Glück noch ein Unglück. Es gibt so etwas wie Glück nicht. Das wollen Sie nicht, Sie können das nicht wollen. Sie wollen alles haben; aber dabei verlieren Sie alles. Sie wollen alles, und das ist nicht möglich. Die Religionen haben Ihnen so viel versprochen - Rosen, Gärten - und am Schluß bleiben Ihnen nur die Dornen.

Aber andere Lehrer, wie J. Krishnamurti, beschreiben eine Entdeckungsreise, und daß man durch Aufmerksamkeit und freies Nachforschen herausfinden könnte...

Es gibt keine Umwandlung, weder eine radikale noch sonst eine. Dieser Possenreißer (bezugnehmend auf J.K.) hier in seinem Zirkuszelt bietet Ihnen eine Entdeckungsreise an. Das ist ein erdichteter Charterflug. So eine Reise gibt es nicht. Auch das vedische Zeug ist nicht hilfreicher. Es wurde von einigen ‘Acidheads’ erfunden, nachdem sie Somasaft getrunken hatten. J.K. ist noch neurotischer als die Menschen, die zu ihm kommen und ihm zuhören.

Wenn Sie schon den alten religiösen Lehren keinen Glauben schenken, nehmen Sie dann wenigstens die moderne Psychologie etwas ernster?

Das ganze Fachgebiet der Psychologie hat das gesamte Denken des Menschen seit hundert Jahren und länger in die Irre geführt. Freud ist der gewaltigste Schwindler des zwanzigsten Jahrhunderts. J. Krishnamurti spricht von einer Revolution in der Psyche. Es gibt keine Psyche. Wo ist dieser Geist, der auf wundersame Weise transformiert werden soll? J.K.s Schüler sind an einem Punkt angelangt, wo sie nichts weiter tun können, als sinnlose Phrasen zu wiederholen. Es sind oberflächliche, leere Menschen. Die Tatsache, daß J.K. große Zuhörermengen anzieht, bedeutet gar nichts; auch Schlangenbeschwörer ziehen die Massen an. Jeder kann eine Menge Zuschauer anziehen.

Aber Sie vertreten einen ähnlichen Ansatz wie...

Ja, ich gebrauche 80% seiner Worte und Redewendungen, genau diejenigen, die er gebraucht hat, um jahrelang die Gurus, Heiligen und Erretter, wie er selbst einer ist, zu verdammen. Er hätte die Konsequenzen voraussehen können. Eines habe ich niemals gesagt: daß er kein Mann von Charakter sei. Er ist ein sehr charaktervoller Mensch, aber ich interessiere mich überhaupt nicht für Menschen von Charakter. Wenn er einsieht, was für einen Schlamassel er mit seiner falschen Rolle als Welt-Messias angerichtet hat und das ganze Ding auflöst, dann werde ich der erste sein, der ihm mit Respekt begegnet. Aber er ist zu alt und zu senil, um das zu tun. Seine Anhänger sind entsetzt, daß ich ihm eine Dosis seiner eigenen Medizin verabreiche. Vergleichen Sie das, was ich sage, nicht mit dem, was er oder andere geistliche Autoritäten gesagt haben. Wenn Sie dem, was ich sage, irgendwelche religiösen Obertöne zuordnen oder auch nur den kleinsten religiösen Beigeschmack, dann begreifen Sie gar nichts. All das muß aufhören.

Aber es kommt uns doch so vor, als ob J. Krishnamurti, und vielleicht noch einige andere im Lauf der Geschichte, etwas zu sagen hätten. J. Krishnamurti scheint ein freier Mann zu sein, so wie er das von sich behauptet.

Er hat schon was. Ich drücke es gerne so aus, daß er zwar den Zuckerwürfel gesehen, ihn aber nicht gekostet hat. Ob dieser Mann oder ich oder sonst ein Mensch frei ist oder nicht, ist nicht Ihr Problem; es ist das Schibboleth (Erkennungszeichen) des eskapistischen Menschen, ein Amüsement, das dazu angetan ist, das eigentliche Problem zu verschleiern, nämlich das Ihrer eigenen Unfreiheit. Sie können sich einer Sache gewiß sein: derjenige, der von sich behauptet, er sei ein freier Mann, ist nur ein Angeber. Dessen können Sie wirklich sicher sein. Das, wovon Sie frei werden müssen, ist die ‘Freiheit’, über die dieser Mann und andere Lehrer sprechen. Sie müssen von „Der Ersten und Letzten Freiheit“ frei sein, und von allen Freiheiten, die dazwischen kommen.

Wenn die Vorstellungen von einem Leben in Gnade, Freiheit und Frieden nur bloße Annahmen sind, die erfunden wurden, damit wir unserer allgemeinen Oberflächlichkeit entrinnen können, warum sollte man dann überhaupt weitermachen? Wenn es keine beständige, transzendente Wirklichkeit gibt, zu der der Mensch sich hinwenden kann, warum sollten wir dann unsere Existenz fortführen? Gibt es denn nur Essen, Schlafen und Atmen?

Sonst gibt es nichts. Sehen Sie, ich sage nur, daß Sie für sich selbst herausfinden müssen, ob es hinter diesen bedeutungslosen Abstraktionen, die Ihnen vorgesetzt werden, noch etwas gibt. Sie reden von geheiligten Herzen, universellem Geist, Überseelen, all diesen abstrakten mystischen Begriffen, die dazu benützt werden, um leichtgläubige Menschen zu verführen. Das Leben muß in klaren und einfachen physikalischen und physiologischen Begriffen beschrieben werden. Es muß entmystifiziert und entpsychologisiert werden. Reden Sie nicht von ‚ Zentren‘ oder Chakras. Nicht sie kontrollieren den Körper, sondern die Drüsen. Es sind die Drüsen, von denen die Instruktionen ausgehen, die für das Funktionieren dieses Organismus erforderlich sind. In Ihrem Falle haben Sie einen Schädiger eingeführt - das Denken. Im natürlichen Zustand hört das Denken damit auf, die Kontrolle auszuüben; es tritt nur dann vorübergehend in Funktion, wenn es sich einer Herausforderung gegenübersieht,  und es zieht sich sofort wieder in den Hintergrund zurück, wenn es nicht länger gebraucht wird.

Es ist also gleichgültig, was wir tun, denn wir funktionieren in jedem Fall auf unnatürliche Art und Weise?

Deshalb weise ich auf diese Dinge hin. Vergessen Sie die ideale Gesellschaft oder das ideale menschliche Wesen. Achten Sie nur auf die Art und Weise, in der Sie funktionieren. Das ist wichtig. Es ist die Kultur, die den Organismus daran gehindert hat, zu seiner ganzen Einzigartigkeit zu erblühen. Sie hat ihm etwas Falsches - den idealen Menschen - zum Vorbild gegeben. All das ist aus dem zwiespältigen Bewußtsein der Menschheit hervorgegangen. Es hat uns nichts als Gewalt eingebracht. Deshalb stimmen auch keine zwei Gurus oder Erretter jemals überein. Jeder ist darauf aus, seinen eigenen Unsinn zu predigen.

Was bringt uns dazu, Ihnen zuzuhören? Warum sind wir an dem interessiert, was Sie zu sagen haben?

Sie kommen aus dem gleichen Grund, aus dem Sie auch zu jedem anderen gehen, von dem Sie eine Antwort haben möchten: Sie wollen etwas wissen. Sie glauben, daß Sie, wenn Sie meine Geschichte kennen, imstande sein werden, das, was mir geschehen ist, zu kopieren. Sie, die Sie Ihr ganzes Leben lang einer Gehirnwäsche unterzogen wurden, können nur in den Begriffen von Imitation denken. Sie meinen, Sie könnten das, was mir passiert ist, irgendwie wiederholen. Das ist Ihr Motiv, deshalb kommen Sie. Es wird weder durch Reaktivierung noch durch eine Übertragung noch einmal passieren. Dies ist kein neuer Zugang zu all diesem religiösen Zeug. Es ist etwas vollkommen anderes. Es hat absolut nichts mit diesem romantischen, spirituellen, religiösen Gerede zu tun, gar nichts. Wenn Sie das, was ich sage, in religiöse Begriffe übersetzen, dann gehen Sie völlig an der Sache vorbei. ‘Religion’, ‘Gott’, ‘Seele’, ‘Glückseligkeit’ und ‘Moksha’ sind alles nur Worte, Ideen, die dazu benutzt werden, Ihre psychologische Kontinuität intakt zu halten. Wenn diese Gedanken nicht vorhanden sind, bleibt nur das einfache, harmonische, physische Funktionieren des Organismus übrig. Ihre Frage hat in mir eine Herausforderung geschaffen, die mich in die Lage versetzt, Ihnen die Art und Weise zu beschreiben, in der dieser Organismus funktioniert. Ihre Fragen schaffen die Bedingungen, die notwendig sind, damit diese Antwort gegeben werden kann. Der Organismus beschreibt sich zwar selbst, aber so funktioniert er nicht. Was dort abläuft, geschieht in einem Zustand des Nichtwissens. Ich frage mich niemals selbst, wie ich funktioniere. Ich stelle meine Handlungen niemals bevor, während oder nachdem sie stattfinden in Frage. Fragt denn ein Computer, wie er funktioniert?

Aber Computer haben keine Gefühle, keine Psyche, keine spirituelle Dimension. Wie können Sie das vergleichen...?

Sie können mich nicht in diesen religiösen Rahmen einpassen. Jeder Versuch Ihrerseits, mich in Ihren religiösen Rahmen zu zwängen, bedeutet, daß Sie nichts begriffen haben. Ich bin keiner Ihrer heiligen Männer, die sagen: „Ich hänge, also komm und hänge mit mir.“ All dieses Zeug ist eine Form von Wahnsinn.

Was ist denn so verrückt daran, etwas über das Leben und den Tod herausfinden zu wollen...?

Wie diese verrückte Frau dort, die behauptet, sie sei nicht verrückt, beharren Sie darauf, daß es den Tod gäbe, daß Sie sterben werden. Beide haben Sie Unrecht. Und insofern es geistige Zustände gibt, die auf der Realität basieren, sind sie gleichermaßen ungültig

Ich glaube, ich fange an, Sie intellektuell zu verstehen...

Ist es nicht ein Witz, mir zur erzählen, Sie verstünden, was ich Ihnen sage? Sie sagen, daß Sie mich zumindest intellektuell verstehen würden, als gäbe es irgendeinen anderen Weg, etwas zu verstehen. Ihr intellektuelles Verständnis, in das Sie riesige Investitionen vorgenommen haben, hat Ihnen bis jetzt rein gar nichts eingebracht. Sie bestehen darauf, dieses intellektuelle Verstehen zu kultivieren und wissen dabei ganz genau, daß es Ihnen noch niemals geholfen hat. Das ist erstaunlich. Das Leben wird dann sinnvoll, wenn es kein Hoffen und kein Bemühen gibt, die Dinge zu verstehen. Das Leben, Ihre Existenz, besitzt eine ungeheuer lebendige Qualität. All Ihre Vorstellungen über Liebe, Glückseligkeit, endlose Wonne und Frieden blockieren nur diese natürliche Energie der Existenz. Wie kann ich Ihnen verständlich machen, daß das, was ich erkläre, mit dem ganzen religiösen Zeug absolut nichts zu tun hat? Sie sehen den Abtransport Hunderter von Leichen, und doch können Sie sich unmöglich Ihren eigenen Tod vorstellen. Das ist unmöglich, weil Ihr eigener Tod von Ihnen nicht erlebt werden kann.

Die spirituellen Menschen sind die unehrlichsten Menschen. Ich möchte darauf hinweisen, daß dies das Fundament ist, auf dem die ganze Spiritualität aufgebaut ist. Ich betone ausdrücklich, daß es keinen Geist gibt. Da es keinen Geist gibt, ist auch das ganze Gerede über Spiritualität ausgemachter Blödsinn. Sie können nicht zu Ihrem eigentlichen Wesen gelangen, solange Sie nicht frei sind von allem, was mit dieser Vorstellung eines ‘Selbst’ zusammenhängt. Bevor Sie ein wirklich eigenständiger Mensch werden können, muß die ganze auf Irrtümern beruhende Basis spirituellen Lebens zerstört werden. Das heißt nicht, daß Sie fanatisch oder gewalttätig werden und die Tempel niederbrennen, Götzenbilder umstürzen und die heiligen Bücher vernichten. Darum geht es überhaupt nicht. Es ist ein Scheiterhaufen, der in Ihrem Innern brennt. Alles, was die Menschheit je gedacht und erfahren hat, muß vergehen. Die unglaubliche Gewalt, die heute auf der Welt herrscht, wurde von Menschen wie Jesus und dem Buddha verursacht.

Aber das Bemühen zivilisiert zu werden, ist doch sicherlich ein Versuch, die Gesetze des Dschungels zu transzendieren?

Es sind diejenigen, die an Gott glauben, den Frieden predigen und von Liebe reden, die den menschlichen Dschungel geschaffen haben. Im Vergleich zum menschlichen Dschungel ist der Dschungel der Natur einfach und sinnvoll. In der Natur töten die Tiere nicht ihre eigene Art. Das ist ein Teil der Schönheit der Natur. In dieser Hinsicht ist der Mensch schlimmer als die anderen Tiere. Der sogenannte zivilisierte Mensch tötet für seine Ideale und seinen Glauben, während die Tiere nur töten, um zu überleben.

Der Mensch besitzt starke Ideale und Überzeugungen, weil er die Wahrheit sucht; das tun die Tiere nicht.

So etwas wie Wahrheit gibt es nicht. Es gibt lediglich Ihre durch ‘logisches’ Denken ermittelte Prämisse, die Sie ‘Wahrheit’ nennen.

Aber, noch einmal, alle großen Lehren haben den größten Wert darauf gelegt, daß man die Wahrheit durch Übungen, Selbstlosigkeit und Entsagung finden müsse.

Ich entsage dem Einzigen, das es wert ist, daß man ihm entsagt - der Idee, daß es so etwas wie Entsagung gäbe. Es gibt nichts, dem man entsagen könnte. Ihre fehlgeleiteten Ideen über ‘Entsagen’ schaffen nur noch weitere Phantasien über ‘Wahrheit’, ‘Gott’ und so weiter.

Es ist überhaupt nicht schmeichelhaft zu denken, wir seien schlimmer als die Tiere...

Weil der Mensch schlimmer ist als die Tiere, entstand die Notwendigkeit, dieses moralische Dilemma zu schaffen; es wurde dadurch erst möglich. Als der Mensch zum erstenmal die Spaltung seines Bewußtseins erlebte - als er sein Selbstbewußtsein erfuhr - da fühlte er sich den anderen Tieren überlegen, was er nicht ist, und säte so die Saat seiner eigenen Zerstörung.

Sie sagen also, wenn ich Sie recht verstehe, daß wir, weil wir das Leben fälschlicherweise in ein Selbst und ein Nicht-Selbst aufgeteilt haben, ein moralisches Problem in uns und in all unseren Beziehungen geschaffen haben. Unsere grundlegende Schwierigkeit liegt demnach darin, zu glauben...

Sie können, außer durch das Denken, nichts erfahren. Sie können Ihren eigenen Körper außer mit Hilfe des Denkens nicht erleben. Es gibt die sinnlichen Wahrnehmungen. Ihre Gedanken verleihen dem Körper Gestalt und Bestimmung, ansonsten gibt es keine Möglichkeit, ihn zu erfahren. Der Körper existiert nicht, außer als ein Gedanke. Da ist nur ein Gedanke. Alles existiert in Bezug auf diesen Gedanken. Dieser Gedanke ist ‘Ich’. Alles, was Sie auf Grund des Denkens erfahren, ist eine Illusion. 

Dauern die Illusionen nicht nur deshalb an, weil wir kein Gewahrsein entwickelt haben?

Das Wort ‘Gewahrsein’ ist irreführend. Gewahrsein, oder Bewußtsein, ist kein geteilter Zustand; es gibt keine zweierlei Zustände - Bewußtsein und noch etwas anderes. Es ist nicht so, daß Sie einer Sache gewahr würden. Bewußtsein ist einfach eine Tätigkeit des Gehirns. Die Idee, daß man Bewußtsein dazu benutzen könnte, die Lage der Dinge glücklicher zu gestalten und eine Art von Transformation oder der Himmel weiß was herbeizuführen, ist für mich absurd. Bewußtsein kann nicht dazu benutzt werden, in Ihnen oder Ihrer Umgebung eine Veränderung zu bewirken. 

All dieser Blödsinn über das Bewußte und das Unbewußte, Gewahrsein und das Selbst, ist ein Produkt der modernen Psychologie. Der Gedanke, daß man Bewußtsein dazu benützen könnte, um in psychologischer Hinsicht etwas zu erreichen, ist sehr schädlich. Selbst nach hundert Jahren scheinen wir noch nicht imstande zu sein, uns von dem psychologischen Quatsch zu befreien - von Freud und Konsorten. Was genau meinen Sie denn mit Bewußtsein? Sie werden nur durch das Denken bewußt, gewahr. Die anderen Tiere - der Hund zum Beispiel erkennt sein Herrchen wieder - wenden das Denken auf eine einfache Weise an. Sie erkennen die Dinge auch ohne die Anwendung von Sprache. Die Menschen haben die Denkstruktur erweitert und viel komplexer gestaltet. Das Denken besteht nicht aus Ihrem oder meinem Denken, sondern es ist unser gemeinschaftliches Erbe. So etwas wie Ihren Geist oder meinen Geist gibt es nicht. Es gibt nur die Gesamtheit all dessen, was vom Menschen gewußt, gefühlt und erfahren wurde und das von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Wir alle denken und funktionieren in dieser ‘Gedankensphäre’ genau so, wie wir uns alle die gleiche Atmosphäre teilen, in der wir atmen. Die Gedanken sind dazu da, damit wir in dieser Welt normal und intelligent funktionieren und kommunizieren können.

Und doch fühlen wir uns nun einmal so, als ob es da einen Denker gäbe, der diese Gedanken denkt, eine Art ‘Geist in der Maschine’, und wir glauben, daß das Denken mehr ist, als nur eine mechanische Reaktion des Gedächtnisses.

Es gibt nur das Wissen. Das ‘Ich’, die ‘Psyche’, der ‘Verstand’, oder wie immer Sie es nennen wollen, ist nichts als die Gesamtheit des ererbten Wissens, das von Generation zu Generation an uns weitergegeben wurde, besonders durch die Erziehung. Sie lehren ein Kind, zwischen Farben zu unterscheiden, zu lesen und Verhalten nachzuahmen. Das ist für jede Kultur relativ: Amerikaner lernen amerikanisches Verhalten und die Inder indisches. Die erste Sprache bestand aus den Gebärden von Körper, Händen und Gesicht. Später kamen die Worte dazu. Wir benutzen die Gebärden immer noch, um unsere gesprochenen Worte zu ergänzen, weil wir merken, daß Worte allein unzureichend sind, um genau das auszusprechen, was wir übermitteln möchten.

All das soll nicht heißen, daß wir wirklich etwas über das Denken wissen können. Das können wir nicht. Sie können sich des Denkens nur bewußt werden, wenn Sie es zum Objekt der Gedanken machen, ansonsten wissen Sie nicht einmal, daß Sie denken. Wir benutzen das Denken nur dazu, um etwas außerhalb unser selbst zu verstehen, uns an etwas zu erinnern oder etwas zu erreichen. Ansonsten wissen wir nicht einmal, ob es ein Denken gibt oder nicht. Das Denken ist von den Gedankengängen nicht getrennt. Denken ist Handeln, ohne Denken können Sie nicht handeln. So etwas wie eine unverfälschte, spontane, gedankenfreie Handlung gibt es überhaupt nicht. Handeln bedeutet denken.

Sie verfügen über einen von selbst beginnenden, sich selbst erhaltenden Mechanismus, den ich das Selbst nenne. Das soll nicht heißen, daß es tatsächlich eine solche Wesenheit gäbe. Ich möchte diesem Wort keineswegs diese Konnotation beimessen. Wo ist denn das Ego oder Selbst, von dem Sie sprechen? Ihr nichtexistierendes Selbst hat von jemandem etwas über Spiritualität oder Seligkeit gehört. Sie glauben, daß Sie Ihre Gedanken kontrollieren müßten, um dieses Etwas, Seligkeit genannt, erfahren zu können. Es ist unmöglich. Wenn Sie es versuchen, werden Sie sich verbrennen und dabei sterben.

Die Philosophen sprechen oft von einem ‘Jetzt’, das unabhängig von Vergangenheit und Zukunft ist. Gibt es so etwas wie eine ewige Gegenwart?

Ihre ‘Gegenwart’, die aus der Vergangenheit entstanden ist, konstituiert sich aus Ihrem Verlangen danach, immer mehr zu erleben. Schauen Sie. Hier vor Ihnen ist ein Mikrophon. Sie sehen es an. Ist es Ihnen möglich, es anzusehen ohne das Wort ‘Mikrophon’? Das Instrument, das Sie gebrauchen,  um das Mikrophon zu sehen und zu erfahren, ist die Vergangenheit,  Ihre Vergangenheit. Wenn das erkannt wird, dann gibt es überhaupt keine Zukunft. Alles, was Sie erreichen wollen, liegt in der Zukunft. Der einzige Zeitpunkt, in dem die Zukunft in Funktion treten kann, liegt im gegenwärtigen Augenblick. Unglücklicherweise ist das, was im gegenwärtigen Augenblick wirkt, die Vergangenheit. Ihre Vergangenheit schafft Ihre Zukunft; in der Vergangenheit waren Sie glücklich oder unglücklich, töricht oder weise, in der Zukunft werden Sie das Gegenteil davon sein. Also kann die Zukunft gar nicht von der Vergangenheit verschieden sein.

Wenn die Vergangenheit nicht in Funktion ist, gibt es überhaupt keine ‘Gegenwart’, denn was Sie ‘Gegenwart’ nennen, ist die Vergangenheit, die sich wiederholt. Wenn der Zustand des ‘Hier und Jetzt’ tatsächlich eintritt, gibt es keine Vergangenheit, die wirksam ist, und daher auch keine Zukunft. Ich weiß nicht, ob Sie mir folgen können..... Die einzige Möglichkeit, wie die Vergangenheit überleben und ihre Kontinuität bewahren kann, besteht in dem ständig aufrechterhaltenen Anspruch, immer und immer wieder das gleiche zu erfahren. Deshalb ist das Leben zu etwas Langweiligem geworden. Das Leben ist langweilig geworden, weil wir eine sich andauernd wiederholende Sache daraus gemacht haben. Also ist das, was wir fälschlicherweise die ‘Gegenwart’ nennen, in Wirklichkeit eine sich ständig wiederholende Vergangenheit, die eine fiktive Zukunft projiziert. Ihre Ziele, Ihre Suche und Ihre Aspirationen werden in diese Form gegossen.

Ein weiteres Problem beim Verständnis der Vergangenheit liegt in ihrer ephemeren Natur begründet. Die Psyche oder der Verstand müssen irgendwo lokalisiert werden, wenn es, wie Sie sagen, keine Seele oder höheren Ebenen gibt. Wo, um es so zu formulieren, ist denn die Vergangenheit?

Sie stellen aus Ihrem Wissen, aus der Vergangenheit heraus Fragen, und das eigentliche Motiv Ihres Fragens besteht nur darin, wiederum mehr Wissen von jemand anderem zu erlangen, so daß Ihre Wissensstruktur weiterbestehen kann. Dabei interessiert Sie das hier alles eigentlich gar nicht. Wenn Ihr Wissen an sein Ende gelangt, heißt das, daß Sie an Ihr Ende kommen. Wo, fragen Sie, ist dieses Wissen, die Vergangenheit? Ist es in Ihrem Gehirn? Wo ist es? Es ist überall in Ihrem Körper. Es ist in jeder Zelle Ihres Körpers.

Diese Fragen entspringen alle Ihrer Suche. Es kommt nicht darauf an, was der Gegenstand dieser Suche ist - Gott, eine schöne Frau oder ein schöner Mann, ein neues Auto. Es ist alles die gleiche Suche. Und dieser Hunger wird niemals gestillt werden. Dieser Hunger muß sich selbst vollständig verzehren, ohne Befriedigung zu kennen. Der Durst, den Sie fühlen, muß sich selbst verbrennen, ohne gelöscht zu werden. Dann wird es Ihnen klar, daß das nicht der richtige Weg ist, und damit ist es beendet.

Ich lege also Wert auf die Feststellung, daß wir versuchen, unsere grundlegenden menschlichen Probleme durch ein psychologisches System zu lösen, obwohl das eigentliche Problem ein neurologisches ist. Der Körper ist darin involviert. Nehmen Sie zum Beispiel die Sehnsucht. Solange da ein lebendiger Körper ist, wird er sich nach etwas sehnen. Das ist natürlich. Das Denken ist dazwischengetreten und hat versucht, dieses Begehren zu unterdrücken, zu kontrollieren und zu moralisieren, zum Schaden der Menschheit. Wir versuchen, das ‘Problem’ des Begehrens durch das Denken zu lösen. Es ist das Denken, welches das Problem geschaffen hat. Sie fahren damit fort zu hoffen und zu glauben, daß dieses gleiche Instrument auch Ihre anderen Probleme lösen kann. Sie geben trotz allem die Hoffnung nicht auf, daß das Denken Ihnen da durchhelfen wird, aber Sie werden genauso in Hoffnung sterben, wie Sie in Hoffnung gelebt haben. Das ist der Refrain meines Liedes vom Untergang.

Alle Religionen haben ihre Sehnsucht nach Freiheit, dem Himmel, nach Befreiung oder Gott, vor alles andere gestellt, das es anzustreben gilt. Wenn es einen solchen Endzweck aber nicht gibt, wie Sie es anzudeuten scheinen, dann ist das ein minderwertiges Begehren, da es falsch und daher auch unmöglich zu befriedigen ist. Aber das stößt uns ab; wir bestehen darauf, daß es eine Sehnsucht gibt, welche das ‘Fleischliche’ transzendiert und daher göttlicher ist als die anderen. Würden Sie sich dazu äußern?

Solange Sie nicht frei werden vom Begehren allen Begehrens, dem nach Moksha, Befreiung oder Selbsterkenntnis, werden Sie sich elend fühlen. Es ist das Endziel - welches die Gesellschaft vor Ihnen aufgebaut hat - das verschwinden muß. Wenn Sie nicht von diesem Begehren frei werden, werden Sie sich von keinem Ihrer seelischen Leiden befreien können. Wenn Sie Ihre Wünsche unterdrücken, werden sie nicht frei werden. Diese Erkenntnis ist das Entscheidende und führt zu der Crux des Problems. Es ist die Gesellschaft, die die Sehnsucht nach Freiheit, das Verlangen nach Befreiung, die Sehnsucht nach Gott und das Verlangen nach Moksha in uns angelegt hat - von dieser Art Verlangen müssen Sie frei sein. Dann findet alles andere Begehren seinen eigenen natürlichen Rhythmus. Sie unterdrücken diese Begierden nur deshalb, weil Sie Angst davor haben, die Gesellschaft würde Sie bestrafen, wenn Sie sie ausleben, oder weil Sie sie als ‘Hinderungsgründe’ für Ihr größte Sehnsucht ansehen - der nach Freiheit.

Falls Ihnen ebenfalls so etwas geschehen sollte, dann werden Sie sich in einen Urzustand ohne Primitivität und ohne ein Wollen Ihrerseits zurückversetzt sehen. Es geschieht einfach. Solch ein freier Mensch steht nicht mehr im Widerstreit mit der Gesellschaft. Er ist nicht aozial und befindet sich mit der Welt nicht im Krieg; er sieht, daß sie gar nicht anders sein kann. Er will die Gesellschaft überhaupt nicht verändern; das Verlangen nach Veränderung hat aufgehört. Alles Tun in jegliche Richtung ist Gewalt. Jedes Bemühen ist Gewalt. Alles, was Sie mittels des Denkens tun, um einen friedvollen Geisteszustand zu schaffen, heißt Gewalt anwenden. Eine solche Einstellung ist absurd. Sie versuchen, den Frieden durch Gewalt zu erzwingen. Yoga, Meditationen, Gebete und Mantras sind alles gewalttätige Techniken. Der lebendige Organismus ist sehr friedlich; Sie müssen gar nichts tun. Der auf friedsame Weise funktionierende Körper kümmert sich keinen Deut um Ihre Ekstasen, Verzückungen oder beseligenden Zustände.

Der Mensch hat die natürliche Intelligenz des Körpers aufgegeben. Deshalb sage ich - es ist mein ‘Lied vom Untergang’ - daß der Mensch an dem Tage, in dem Augenblick, an dem er jenes Bewußtsein erfuhr, das ihn glauben machte, er sei separat und den anderen Tieren überlegen, die Saat seiner eigenen Vernichtung zu säen begann. Diese verzerrte Einstellung zum Leben stößt das gesamte Denken langsam in Richtung der totalen Auslöschung. Es gibt nichts, was Sie tun könnten, um das aufzuhalten.

Ich bin kein Schwarzseher. Ich habe keine Angst, ich bin nicht daran interessiert, die Welt zu retten. Die Menschheit ist sowieso zum Untergang verurteilt.

Ich sage nur, daß der Frieden, den Sie suchen, schon in Ihnen liegt - im harmonischen Funktionieren des Körpers.

Das klingt mehr und mehr wie der Witz über den Buddha, der sagt: „Tun Sie nicht einfach etwas, stehen Sie still.“ In keinerlei Richtung auf keiner Ebene etwas zu tun, ist nicht so einfach.

Alles, was Sie tun, um sich aus irgendeinem Grund von etwas zu befreien, zerstört die Sensibilität, Klarheit und Freiheit, die schon vorhanden ist.

Wenn es möglich wäre, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind...

Es kann keine Rede davon sein, daß Sie die Dinge so sehen, wie sie sind. Sie können die Dinge nicht sehen, wie sie sind. Sie lassen niemals eine Erfahrung oder ein Gefühl, das Sie haben, in Ruhe. Sie müssen dieses Gefühl sofort in Beschlag nehmen und im Rahmen des Bekannten interpretieren. Sie können nur dann glücklich oder unglücklich sein, wenn Sie wissen, was das ist und Sie die Erfahrung des Glücklich- und Unglücklichseins gemacht haben. Also muß alles in den Rahmen des schon Bekannten eingefügt werden, bevor Sie es erfahren können. Die Bewegung des Bekannten erhält in Ihnen neuen Antrieb. Ihr einziges Interesse ist es, anzudauern. Es gibt in Ihnen keine Wesenheit, kein Selbst, das sich Kontinuität verschaffen könnte; dort sind nur die Gedankengänge, die sich selbst aufrechterhaltende Trennung. Dieser Ablauf des Denkens ist mechanisch. Alles, was Sie seinetwegen tun wollen, fügt ihm nur neue Impulse hinzu.

Die Lehrer des Ostens haben gesagt, daß das Begehren von Übel sei, daß es transzendiert werden müsse...

Es ist die Sehnsucht danach, ein bestimmtes Ziel, ein überaus wichtiges Ziel, zu erreichen, die verschwinden muß, es sind nicht die unzähligen kleinen Wünsche, die vergehen müssen. Der einzige Grund dafür, daß Sie versuchen, diese kleinen Wünsche und Sehnsüchte zu manipulieren und zu kontrollieren, liegt darin, daß eine solche Kontrolle einen Teil Ihrer Strategie bildet, das höchste Ziel zu erreichen, das Wunschziel aller Sehnsucht. Beseitigen Sie dieses Hauptziel, dann werden die anderen Begehrlichkeiten ein natürliches Muster bilden und kein Problem für Sie oder die Welt darstellen. Sie werden gar nichts erreichen, wenn Sie ständig versuchen, diese zahllosen Wünsche und Sehnsüchte zu kontrollieren und zu manipulieren.

Gibt es denn überhaupt ein höheres Ziel?

Das sogenannte ‘höchste Ziel’ ist wie der Horizont. Je mehr Sie sich ihm nähern, desto weiter weicht er zurück. Das Ziel ist, wie der Horizont, nicht wirklich vorhanden. Es ist eine Projektion Ihrer eigenen Ängste, und es entfernt sich von Ihnen, während Sie es verfolgen. Wie können Sie mit ihm Schritt halten? Es gibt nichts, was Sie tun können. Und doch treibt Sie das Begehren immer weiter; gleichgültig in welche Richtung Sie sich auch bewegen, es ist überall dasselbe.

Sie sagen, ich würde in einer Illusion leben. Aber Armut, Arbeit und Krieg sind keine Illusionen. Oder doch? In welchem Sinne gebe ich mich denn Illusionen hin?

Das, was Sie durch Ihr trennendes Bewußtsein erfahren, ist eine Illusion. Man kann nicht sagen, daß Bomben, die fallen, eine Illusion seien. Sie sind keine Illusion, nur Ihre Erfahrung dessen ist eine Illusion. Die Realität der Welt, die Sie jetzt erleben, ist eine Illusion. Das ist alles, was ich zu sagen versuche.

Wenn Sie sagen, daß meine relative, subjektive Weltsicht voreingenommen und daher illusionär sei, so bin ich bereit, Ihnen zuzustimmen. Aber Sie stellen doch auch ein von außen kommendes, objektives Maß der absoluten Realität in Abrede, nicht wahr?

So etwas wie ein Absolutes gibt es nicht. Es ist das Denken, und nur das Denken, welches das Absolute geschaffen hat. Der absolute Nullpunkt, die absolute Macht und die absolute Perfektion wurden von den heiligen Männern und den ‘Experten’ geschaffen. Sie haben sich und die anderen zum Narren gehalten.

Durch die Jahrhunderte hindurch haben die Heiligen, Erretter und Propheten der Menschheit sich und alle anderen zum Narren gehalten. Perfektion und Absolutheiten sind falsch. Nun versuchen Sie, das zu imitieren und Ihr Verhalten nach diesen Absoluten auszurichten, und das verfälscht Sie. Tatsächlich funktionieren Sie auf eine vollkommen andere Weise; Sie sind brutal, und Sie glauben, Sie müßten friedvoll sein. Es ist widersprüchlich, ich weise nur darauf hin.

Wir staunen über den Eifer, mit dem Sie alle religiösen und spirituellen Autoritäten ablehnen...

Was mir zur Gewißheit wurde, ist etwas, das nicht vermittelbar ist. Das heißt nicht, daß ich überlegen wäre, ein Erwählter, ein Ausbund an Tugendhaftigkeit. Überhaupt nicht. Ich bin nur ein gewöhnlicher Mann und habe damit nichts zu tun. Diese Gewißheit zerschmettert alles, einschließlich der Forderungen der sogenannten erleuchteten Menschen, die ihre Waren auf dem Marktplatz feilhalten.

Wenn die Heiligen und Erretter Unrecht hatten, was den richtigen Platz des Menschen im Plan der Dinge anlangt, dann hatten sie doch sicherlich wenigstens teilweise Recht, als sie auf eine höhere Einheit hinwiesen, auf Gott, wenn Sie es so nennen wollen.

Was ich Ihnen zu vermitteln suche, ist, daß es so etwas wie Gott nicht gibt. Der Verstand hat Gott aus Angst geschaffen. Die Angst wird von Generation zu Generation weitergegeben. Was es gibt, ist Angst und nicht Gott. Wenn Sie das Glück haben, frei von Angst zu sein, dann gibt es keinen Gott. Es gibt keine letzte Wirklichkeit, keinen Gott - nichts. Die Angst selbst ist das Problem und nicht Gott‘. Frei von Angst sein zu wollen, ist selbst Angst.

Sehen Sie, Sie lieben die Angst. Das Ende der Angst bedeutet den Tod, und Sie wollen nicht, daß das passiert. Ich spreche nicht davon, daß die Phobien des Körpers ausgerottet werden müßten. Sie sind für sein Überleben nötig. Der Tod der Angst ist der einzige Tod.

Bis wir irgendwie den Mut finden, uns von unseren Ängsten loszusagen, werden wie damit weitermachen zu...

...hoffen, beten, tugendsam zu sein. Der Mensch, der sich in Tugend übt, ist ein lasterhafter Mensch. Nur ein solcher Mensch, ein lasterhafter Mensch, wird sich in Tugend üben wollen. Es gibt auf der ganzen Welt nicht einen tugendhaften Menschen. Alle Menschen werden morgen tugendsam sein, bis dahin bleiben sie lasterhaft. Ihre Tugend existiert nur in der fiktiven Zukunft. Wo ist denn die Tugend, von der Sie sprechen? Es nützt auch nichts, zu hoffen, daß man in einem künftigen Leben tugendsam sein wird; es gibt keine Garantie, daß es ein künftiges Leben geben wird und noch viel weniger, daß Sie in ihm frei sein werden.

Ich glaube, ich beginne zu sehen, was...

Sie sind blind. Sie sehen nichts. Wenn Sie tatsächlich zum erstenmal sehen und wahrnehmen, daß es kein Selbst zu erkennen gibt, keine Psyche zu reinigen und keine Seele zu befreien, dann wird das ein riesiger Schock sein. Sie haben alles investiert - in die Seele, den Geist, die Psyche, oder wie immer Sie es auch nennen wollen - und plötzlich wird das als Mythos in die Luft gejagt. Es ist schwierig für Sie, die Wirklichkeit, Ihre tatsächliche Situation, zu betrachten. Mit einem Blick sind Sie am Ziel; es ist vollendet.

Es ist radikal und vielleicht auch ein bißchen gefährlich, den Geist, die Seele und Gott als schäbige Erfindungen ängstlicher Gemüter zu bezeichnen, nicht wahr?

Das ist mir egal. Ich bin bereit zu gehen. Ich sehe nichts außer der physischen Aktivität des Körpers. Die Spiritualität ist eine Erfindung des Verstandes, und der Verstand ist ein Mythos.

Ihre Traditionen ersticken Sie. Aber unglücklicherweise tun Sie gar nichts. Tatsächlich gefällt es Ihnen, erstickt zu werden. Sie tragen die Bürde des kulturellen Müllsacks, den toten Abfall der Vergangenheit gern. Das muß auf natürliche Weise aufhören. Es vergeht einfach. Sie sind von keinerlei Wissen mehr abhängig, außer, um es als nützliches Werkzeug zum normalen Funktionieren in dieser Welt zu gebrauchen.

Das Wollen muß verschwinden. Von etwas frei sein zu wollen, das es nicht gibt, schafft das, was Sie ‘Sorgen’ nennen. Der Wunsch, von Sorgen frei zu sein, ist Sorge. Sonst gibt es keine Sorgen. Sie wollen nicht frei sein von Kummer und Sorgen. Sie denken einfach an Sorgen, ohne etwas zu tun. Ihr endloses Denken an die Sorgen schafft nur neues Material für Sorgen. Denken kann das Sorgen nicht beenden. Die Sorgen werden so lange bei Ihnen bleiben, solange Sie denken. Eigentlich gibt es keine Sorge, von der man frei sein könnte. Über ‘Sorgen’ nachzudenken und dagegen anzukämpfen, ist Sorge. Da Sie nicht aufhören können zu denken, und da Denken Sorge ist, werden Sie immer zu leiden haben. Es gibt keinen Ausweg, kein Entrinnen...


[1] neti-neti (skrt.) bedeutet, ‚nicht dies, nicht dies‘ (na+iti = nicht so). Es wird in den Upanishaden als eine Annäherung an Brahman benutzt: Brahman läßt sich nur vom Negativen her verstehen, als ‚nicht dies, nicht dies‘.

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