Es gibt keine Lehre von mir, und es wird niemals eine geben. 'Lehre' ist auch nicht das richtige Wort. Eine Lehre beinhaltet eine Methode oder ein System, eine Technik oder eine neue Denkungsart, die anzuwenden sind, um eine Umwandlung in Ihrer Lebensweise zu bewirken. Was ich sage, liegt außerhalb des Feldes der Vermittelbarkeit; es ist nicht mehr als eine Beschreibung der Art und Weise, in der ich funktioniere. Es ist lediglich eine Beschreibung des natürlichen Zustandes des Menschen - so wie auch Sie funktionieren, wenn Sie sich aller Machenschaften des Denkens entledigt haben.
Der natürliche Zustand ist nicht der Zustand eines selbstverwirklichten Menschen, der zur Erkenntnis gelangt ist; er ist nicht etwas, das geleistet oder erlangt werden kann; er ist kein Ding, das durch den Willen geschaffen werden kann; er ist da - er ist der lebendige Zustand. Genau dieser Zustand ist die funktionale Aktivität des Lebens. Und mit 'Leben' meine ich nicht etwas Abstraktes; es ist das Leben der Sinne, die auf natürliche Weise, ohne das Dazwischentreten des Denkens, funktionieren. Das Denken ist ein Eindringling, der sich in die Angelegenheiten der Sinne einmischt. Sein Streben ist auf Profit gerichtet: Das Denken lenkt die Aktivitäten der Sinne so, daß es etwas aus ihnen herausholen kann, und es benutzt sie, um sich selbst Kontinuität zu verschaffen.
Ihr natürlicher Zustand steht in keinerlei Zusammenhang mit den religiösen Zuständen von Seligkeit, Verzückung und Ekstase; sie liegen innerhalb des erfahrbaren Bereichs. Diejenigen, die die Menschen durch die Jahrhunderte hindurch auf ihrer Suche nach Religiosität geführt haben, mögen diese religiösen Zustände erlebt haben. Das können Sie auch. Es sind durch das Denken hervorgerufene Seinszustände - und gerade so, wie sie gekommen sind, vergehen sie auch wieder. Das Krishnabewußtsein, das Buddhabewußtsein, das Jesusbewußtsein, oder was auch immer, sind alles Trips in die falsche Richtung. Sie liegen alle auf dem Gebiet der Zeit. Das Zeitlose kann von keinem Menschen jemals erfahren, ergriffen oder behalten werden, und noch viel weniger kann man ihm Ausdruck verleihen. Die ausgetretenen Wege werden Sie nirgendwohin führen. Es gibt keine Oase, die irgendwo dort drüben liegt; Ihnen bleibt nur die Fata Morgana.
Dieser Zustand gehört zur physischen Natur Ihres Wesens. Er ist nicht eine Art psychologischer Mutation. Er ist kein Geisteszustand, in den man an einem Tage hinein- und am nächsten wieder herausgeraten kann. Sie können es sich gar nicht vorstellen, in welchem Ausmaß Sie in Ihrem jetzigen Zustand vom Denken durchdrungen sind und wie sehr es in das Funktionieren jeder Zelle Ihres Körpers eingreift. In den natürlichen Zustand zu kommen bedeutet, daß jede einzelne Zelle, jede Drüse, jeder Nerv im Körper gesprengt wird. Es ist eine chemische Verwandlung. Eine Art von Alchemie findet statt. Dieser Zustand hat aber nichts mit den Erfahrungen zu tun, die man mit chemischen Substanzen wie z.B. LSD macht. Das eine sind Erfahrungen, das andere nicht.
Gibt es so etwas wie Erleuchtung? Für mich gibt es da nur einen rein physikalischen Vorgang, an dem weder etwas Mystisches noch etwas Spirituelles ist. Wenn ich die Augen schließe, dringt etwas Licht durch die Augenlider; wenn ich die Lider bedecke, ist innen immer noch Licht. Es scheint da auf der Stirn eine Art Loch zu geben, durch das etwas hereindringt. In Indien ist dieses Licht golden, in Europa ist es blau. Auch an der Rückseite des Halses dringt dieses Licht durch. Es ist, als ob zwischen diesen beiden Punkten vorne und hinten am Schädel eine Höhlung führte, in der nichts ist als dieses Licht. Wenn man diese Punkte abdeckt, herrscht komplette totale Dunkelheit. Dieses Licht tut gar nichts und hilft dem Körper auch nicht in irgendeiner Weise zu funktionieren, es ist einfach da.
Dieser Zustand ist der Zustand des Nichtwissens. Man weiß wirklich nicht, was man ansieht. Ich kann diese Uhr an der Wand eine halbe Stunde lang anschauen - und immer noch kenne ich die Zeit nicht. Ich weiß nicht, daß es eine Uhr ist. In mir ist einzig eine Art von Staunen: "Was ist das, was ich ansehe?" Nicht, daß die Frage tatsächlich in diese Worte gefaßt wäre, sondern mein ganzes Wesen ist wie ein einziges großes Fragezeichen. Es ist ein Zustand des Staunens, des Wunderns, denn ich weiß einfach nicht, was ich ansehe. Das Wissen darüber - all das, was ich gelernt habe - wird so lange im Hintergrund gehalten, bis es gebraucht wird. Es ist im 'abgekoppelten Zustand'. Wenn Sie mich nach der Zeit fragen, werde ich sagen: "Es ist viertel nach drei", oder was auch immer - das kommt blitzschnell - und dann bin ich wieder zurück in einem Zustand des Nichtwissens und des Staunens.
Sie werden niemals den ungeheuren Frieden kennenlernen, der immer in Ihnen ist - das ist Ihr natürlicher Zustand. Der Versuch, einen friedvollen Zustand zu schaffen, verursacht in Wirklichkeit innere Unruhe. Sie können lediglich von Frieden reden und einen Gemütszustand schaffen, von dem Sie behaupten, er sei sehr friedlich - aber das ist kein Friede, das ist Gewalt. Es nützt also nichts, Frieden zu üben, und es gibt keinen Grund, Ruhe zu üben. Wirkliche Stille ist explosiv; es ist nicht der tote Geisteszustand, von dem die spirituellen Sucher sagen: "Oh, ich bin im Frieden mit mir selbst! Da ist eine Stille, eine ungeheure Stille!" Das bedeutet überhaupt nichts. Die Energie, das Leben - sie sind ihrer Natur nach vulkanisch, es brodelt die ganze Zeit - so sind sie beschaffen. Wenn Sie mich fragen, woher ich das weiß - ich weiß es nicht. Das Leben ist sich seiner selbst gewahr, oder anders gesagt - es ist sich seiner selbst bewußt.
Wenn ich von 'Fühlen' spreche, so meine ich damit nicht dasselbe wie Sie. Fühlen ist tatsächlich eine physische Reaktion, ein dumpfer Schlag im Thymus. Der Thymus, eine der endokrinen Drüsen, liegt unter dem Brustbein. Die Ärzte sagen uns, er sei in der Kindheit und bis zur Pubertät aktiv und dann in Ruhestellung. Wenn man in den natürliche Zustand kommt, wird diese Drüse reaktiviert. Sinneswahrnehmungen werden dort erfühlt; man interpretiert sie nicht als 'gut' oder 'schlecht'; sie sind lediglich ein dumpfer Schlag. Wenn es außerhalb des Körpers eine Bewegung gibt - ein Uhrpendel, das schlägt, ein Vogel, der das Gesichtsfeld kreuzt - dann wird diese ebenfalls im Thymus gefühlt. Die Gesamtheit des Wesens ist diese Bewegung oder vibriert mit diesem Klang - es gibt da keine Trennung. Das heißt nicht, daß man sich mit dem Vogel identifiziert - "Ich bin dieser fliegende Vogel." Es gibt dort weder ein 'Du' noch sonst irgendein Objekt. Was diese Sinneswahrnehmungen verursacht, weiß man nicht. Man weiß nicht einmal, daß es eine Wahrnehmung ist.
Affektion bedeutet (und das ist nicht meine Interpretation dieses Wortes), daß man von allem berührt und beeinflußt wird, und es heißt nicht, daß irgendeine Emotion von einem selbst ausgehend zu irgend etwas anderem hinflösse. Der natürliche Zustand ist von großer Empfindsamkeit - aber das ist eine physische Sensibilität der Sinne und nicht eine Art emotionales Mit- und Zartgefühl für andere. Mitgefühl gibt es nur in dem Sinne, daß es für mich keinen 'anderen' gibt - und damit auch keine Trennung.
Gibt es da in Ihnen eine Wesenheit, die Sie das 'Ich' oder das 'Selbst' nennen? Gibt es da einen Koordinator, der das, was Sie ansehen mit dem koordiniert, was Sie hören und das, was Sie reden mit dem, was Sie schmecken usw.? Oder ist da etwas, das die verschiedenen Wahrnehmungen, die von einem einzigen Sinn ausgehen, miteinander verbindet - zum Beispiel den Fluß der Impulse, die von den Augen kommen? Tatsächlich gibt es immer eine Lücke zwischen zwei Wahrnehmungen. Der Koordinator überbrückt diese: er etabliert sich als eine Illusion der Kontinuität.
Im natürlichen Zustand gibt es keine Entität, die die Botschaften der verschiedenen Sinne koordiniert. Jeder Sinn funktioniert unabhängig und auf seine ihm eigene Weise. Wenn eine Situation eintritt, die es erforderlich werden läßt, daß eine oder zwei oder auch alle Sinne koordiniert werden, um eine Reaktion hervorzubringen, dann gibt es da immer noch keinen Koordinator, sondern nur einen temporären Zustand der Koordination. Da ist keine Kontinuität; wenn die Anforderungen erfüllt sind, gibt es nur noch das unkoordinierte, unterbrochene, zusammenhangslose Funktionieren der Sinne. Das ist immer so. Wenn diese illusorische Kontinuität einmal erloschen ist - was aber nicht heißen will, daß sie jemals wirklich da war - dann ist sie auch ein für allemal beendet.
Kann das für Sie einen Sinn ergeben? Das kann es nicht. Alles, was Sie wissen, liegt innerhalb des Rahmens Ihrer Erfahrung, und die besteht aus Denken. Dieser Zustand ist keine Erfahrung. Ich versuche lediglich, Ihnen ein Gefühl dafür zu geben, das - leider - irreführend sein muß.
Wenn es keinen Koordinator gibt, werden die Empfindungen weder miteinander verknüpft noch werden sie interpretiert; sie bleiben schlicht und einfach Empfindungen. Ich weiß nicht einmal, ob es Empfindungen sind. Wenn Sie sprechen, werde ich Sie ansehen. Die Augen werden sich auf Ihren Mund konzentrieren, weil er es ist, was sich bewegt, und die Ohren werden die Tonschwingungen empfangen. Aber in meinem Innern gibt es nichts, das beides miteinander verbindet und mir sagt, daß Sie es sind, der spricht. Ich mag eine Quelle ansehen, die aus der Erde sprudelt und das Wasser hören - aber da ist nichts, das mir sagt, daß das wahrgenommene Geräusch der Klang von Wasser sei oder daß dieser Klang in irgendeiner Weise mit dem, was ich sehe, in Zusammenhang steht. Ich mag meinen Fuß betrachten, aber nichts sagt mir, daß dies mein Fuß ist. Wenn ich gehe, sehe ich, wie sich meine Füße bewegen - das ist eine sehr komische Sache: "Was ist das, was sich da bewegt?"
Was funktioniert, ist ein ursprüngliches Bewußtsein, das vom Denken unberührt ist.
Die Augen sind wie eine sehr empfindliche Kamera. Die Physiologen sagen, daß das von den Gegenständen reflektierte Licht auf die Retina des Auges trifft und dieser Reiz durch den optischen Nerv in das Gehirn geht. Die Fähigkeit des Sehens ist einfach ein physikalisches Phänomen. Für die Augen macht es keinerlei Unterschied, ob sie auf einen schneebedeckten Berg oder eine Mülltonne gerichtet sind. Sie bringen die Wahrnehmung auf die exakt gleiche Art hervor; die Augen blicken, ohne zu diskriminieren, auf alles und jeden.
Sie haben das Gefühl, da sei ein 'Kameramann', der die Augen steuert. Wenn die Augen aber sich selbst überlassen bleiben, wenn da kein Kameramann ist, dann verweilen sie nicht an einer Stelle, sondern sie bewegen sich die ganze Zeit. Sie werden von den äußeren Dingen gefesselt. Bewegungen ziehen sie an, Helligkeit, oder eine Farbe, die aus ihrer Umgebung hervorsticht. Da ist kein 'Ich', das schaut. Die Berge, Blumen, Bäume und Kühe sehen alle mich an. Das Bewußtsein ist wie ein Spiegel, der alles reflektiert, was da außen ist. Die Tiefe, die Distanz, die Farbe, alles ist vorhanden, aber es gibt niemanden, der diese Dinge interpretiert. Wenn kein Bedarf nach Wissen über das, was ich ansehe, besteht, dann gibt es auch keine Trennung und kein Distanzieren von dem, was dort ist. Wenn es auch nicht möglich ist, die Haare auf dem Kopf eines Menschen zu zählen, der am anderen Ende des Raumes sitzt, so herrscht da doch eine Art von Klarheit, die mir das als möglich erscheinen läßt.
Die Augen blinzeln nicht, außer bei plötzlicher Gefahr - das ist etwas ganz Natürliches, denn die Dinge draußen verlangen die ganze Zeit über nach Aufmerksamkeit. Wenn die Augen dann müde sind, werden sie von einem im Körper vorhandenen Mechanismus ausgeschaltet - sie mögen zwar offen sein, sind aber getrübt. Wenn die Augen aber immer geöffnet sind und es keinen reflexhaften Lidschlag gibt, dann trocknen sie aus, und man wird erblinden; daher gibt es Drüsen unterhalb der äußeren Augenwinkel, die bei Ihnen nicht aktiv sind und die zur Feuchtigkeitsregulierung dienen. Aus den äußeren Augenwinkeln fließen immerzu Tränen. Ignorante Menschen haben sie als 'Tränen der Freude' oder 'Tränen der Seligkeit' bezeichnet, aber an ihnen ist nichts 'Göttliches'. Wenn jemand versuchen sollte, diesen Zustand zu erreichen, indem er übt, nicht mehr zu blinzeln, wird er nur die Augen überstrapazieren. Es gibt Neurotiker in den Anstalten, die aus diversen Gründen nicht blinzeln - aber das sind für sie pathologische Zustände. Wenn man jedoch einmal durch ein merkwürdiges Geschick in diesen natürlichen Zustand gekommen ist, dann geschieht das alles auf seine eigene Weise.
Liegt die Schönheit in den Augen des Betrachters? Liegt sie im Objekt? Wo liegt sie? Schönheit wird vom Denken hervorgerufen. Ich halte nicht an, um Gedichte über den Berg zu schreiben, der da vor mir liegt. Was passiert, ist - ich gehe und sehe etwas anderes, weil sich das Licht verändert hat. Ich habe nichts damit zu tun. Es ist nicht so, daß etwas Neues gesehen oder völlige Aufmerksamkeit herrschen würde; es hat nur eine Veränderung im Licht selbst stattgefunden. Es wird nicht als Schönheit erkannt. Eine Klarheit ist da, die es wahrscheinlich nicht gab, bevor sich das Licht veränderte. Dann erweitert sich dieses Bewußtsein plötzlich auf die Größe des Objektes, das sich vor dem Körper befindet, und die Lungen nehmen einen tiefen Atemzug. Das ist wirklich Pranayama (Atemkontrolle), und nicht das, was Sie tun, nämlich, in einer Ecke zu sitzen und durch das eine Nasenloch ein- und das andere wieder auszuatmen; dieses Pranayama läuft immerzu ab. Es gibt also ein Bewußtsein von einer plötzlichen Veränderung im Atmen, und dann bewegt es sich schon woanders hin - zum plötzlichen Muhen einer Kuh oder dem Heulen eines Schakals z.B. Es ist immerzu in Bewegung und verweilt nicht bei etwas, von dem das Denken beschlossen hat, daß es schön sei. Da ist niemand, der Anordnungen gibt.
Hören Sie auf jemand anderen? Das tun Sie nicht; Sie hören nur auf sich selbst. Wenn man den Gehörsinn sich selbst überläßt, gibt es da nur die Schwingung der Töne - die Worte wiederholen sich im Innern wie in einer Echokammer. Dieser Sinn funktioniert bei Ihnen ganz genauso, nur glauben Sie, daß die Worte, die Sie hören, von außerhalb kämen. Verstehen Sie das richtig: Sie können niemals auch nur ein Wort von jemand anderem hören, gleichgültig wie intim Sie mir dieser Person zu sein glauben; Sie hören immer nur Ihre eigene Umsetzung. Das sind alles Ihre eigenen Worte, die Sie hören. Die Worte des anderen Menschen können für Sie gar nicht mehr als nur ein Geräusch sein, eine Schwingung, die vom Trommelfell aufgenommen und auf die zum Gehirn führenden Nerven übertragen wurde. Sie setzen die ganze Zeit über solche Schwingungen um und versuchen sie zu verstehen, denn Sie wollen aus dem, was Sie hören, einen Nutzen ziehen. Das ist ganz in Ordnung für eine Beziehung auf dem Niveau von "Hier ist Geld, geben Sie mir ein halbes Kilo Karotten dafür!" - aber hier liegt auch schon die Grenze der kommunikativen Beziehung, die Sie mit irgend jemandem haben können.
Ohne diese innere Interpretation klingen alle Sprachen gleich, egal ob Ihre spezielle Wissensstruktur eine spezielle Sprache 'spricht'. Der einzige Unterschied liegt in der Anordnung der Silbenzwischenräume und in der Melodie. Sprachen sind auf unterschiedliche Weise melodisch.
Es ist der erworbene Geschmack, der Ihnen sagt, daß Beethovens Neunte Symphonie schöner sei als ein Chor schreiender Katzen; beide rufen gleichermaßen gültige Sinneswahrnehmungen hervor. Natürlich gibt es Töne, die den Körper schädigen können; und Geräuschpegel, die eine gewisse Anzahl von Dezibel überschreiten, sind schlecht für das Nervensystem und können Taubheit verursachen - aber das ist es nicht, was ich meine. Die Wertschätzung von Musik, Dichtkunst und Sprache ist kulturell bedingt und ein Produkt des Denkens.
Ihre Denktätigkeit mischt sich in den Vorgang des Berührens ebenso ein wie in alle anderen Sinneswahrnehmungen auch. Was immer Sie auch berühren, sofort wird es als 'hart', 'weich', 'warm', 'kalt', 'naß' oder 'trocken' interpretiert.
Zwar erkennen Sie das nicht, aber es ist Ihr Denken, das Ihren eigenen Körper erschafft. Ohne diese Denktätigkeit gibt es kein Körperbewußtsein - was gleichbedeutend damit ist, daß es gar keinen Körper gibt. Mein Körper existiert für andere Menschen, für mich selbst existiert er nicht; es gibt da nur isolierte Kontaktpunkte, Berührungsimpulse, die nicht durch das Denken verbunden werden. Der Körper unterscheidet sich also nicht von den Gegenständen, die ihn umgeben; er ist ebenso ein Bündel von Sinneswahrnehmungen wie alles andere auch. Der Körper gehört einem nicht.
Vielleicht kann ich Ihnen ein Gefühl hierfür vermitteln. Ich schlafe in der Nacht vier Stunden, gleichgültig zu welcher Zeit ich ins Bett gehe. Dann liege ich bis zum Morgen im Bett und bin hellwach. Ich weiß nicht, was da im Bett liegt; ich weiß nicht, ob ich auf der linken oder rechten Seite liege, stundenlang liege ich so da. Wenn es draußen ein Geräusch gibt, etwa von einem Vogel, dann gibt das in mir nur ein einen Widerhall. Ich lausche auf das 'Flab-dab-flab-dab', das mein Herz macht und weiß nicht, was es ist. Zwischen den Laken liegt kein Körper - die Form des Körpers ist nicht da. Wenn die Frage gestellt wird: "Was ist denn da?" - lautet die Antwort, da ist nur ein Bewußtsein der Kontaktpunkte, an denen der Körper das Bett und die Laken berührt oder wo er mit sich selbst in Berührung kommt, z.B. wenn die Beine überkreuzt werden. Es besteht eine gewisse Schwere, wahrscheinlich durch die Erdanziehung - etwas ganz Unbestimmtes. Im Innern ist nichts, was diese Dinge verbinden würde. Selbst wenn die Augen offen sind und den ganzen Körper betrachten, gibt es da immer noch lediglich diese Kontaktpunkte, und sie haben keine Beziehung zu dem, was ich ansehe. Falls ich es versuchen würde, diese Kontaktpunkte mit der Form meines eigenen Körpers in Verbindung zu bringen, so würde mir das wahrscheinlich gelingen, aber bis es soweit ist, ist der Körper wieder in der gleichen Situation, nur sind die Kontaktpunkte andere. Die Verbindung kann nicht aufrechterhalten werden. Genau so ist es, wenn ich sitze oder stehe. Es ist kein Körper da.
Können Sie mir sagen, wie Mangosaft schmeckt? Ich kann es nicht. Sie können das auch nicht, aber Sie versuchen jetzt, den Geschmack von Mangosaft wiederzubeleben - Sie schaffen für sich selbst eine Art Erfahrung, wie er schmeckt - das ist etwas, was ich nicht kann. Ich muß Mangosaft auf meiner Zunge schmecken - ihn sehen oder ihn zu riechen reicht nicht aus - um das vergangene Wissen zur Anwendung zu bringen und sagen zu können: "Ja, so schmeckt Mangosaft." Das soll nicht heißen, daß sich persönliche Vorlieben oder die Geschmacksrichtungen verändern. In einem Laden greift meine Hand automatisch nach den gleichen Artikeln, die ich mein ganzes Leben lang gemocht habe. Aber da ich keine mentale Erfahrung heraufbeschwören kann, gibt es auch keine Gelüste auf Speisen, die nicht vor mir stehen.
Gerüche spielen im täglichen Leben eine größere Rolle als der Geschmack. Die Geruchsorgane sind immer empfangsbereit. Wenn man aber den Geruchssinn sich selbst überläßt, macht es keinen Unterschied, ob man Kuhmist oder ein französisches Parfum riecht - man reibt sich kurz die Nase und geht weiter.
Was ich sage, kommt als Antwort auf Fragen, die man mir stellt. Ich kann mich nicht hinsetzen und eine Rede über den natürlichen Zustand halten - das wäre eine künstliche Situation für mich. Es ist niemand da, der Gedanken denkt und dann mit einer Antwort daher kommt. Wenn Sie mir einen Ball zuwerfen, prallt der zurück - und das ist es, was Sie als Antwort bezeichnen. Ich gebe aber keine Antworten, sondern dieser Zustand bringt sich selbst zum Ausdruck. Ich weiß wirklich nicht, was sich sage, und was ich sage, ist ohne Bedeutung. Sie könnten, was ich gesagt habe, für mich aufschreiben, aber es würde für mich keinen Sinn ergeben, es ist eine tote Sache.
Dieser natürliche Zustand hier ist ein lebendiges Ding. Er kann nicht von mir erlangt werden, geschweige denn von Ihnen. Er ist wie eine Blume. (Ich kann nur dieses Beispiel geben.) Sie blüht einfach. Sie ist da. Solange sie da ist, strömt sie einen Duft aus, der von dem Duft jeder anderen Blume verschieden ist. Sie mögen sie nicht wahrnehmen, Sie können Oden oder Sonette über sie schreiben oder es bleiben lassen. Eine vorübergehende Kuh könnte sie fressen oder eine Mähmaschine abschneiden, oder sie verwelkt, und das ist das Ende. Es hat keinerlei Bedeutung. Ihr Duft läßt sich nicht konservieren. Was man aufbewahrt, ist nur ein chemisches Parfum und nicht das lebendige Ding. Und so hat auch keinen Sinn, die Äußerungen, die Lehren und Worte eines solchen Menschen aufzubewahren. Dieser Zustand hat nur zu der Zeit, in der er lebendig ist, einen Wert und die Möglichkeit, sich auszudrücken.
Die Persönlichkeit verändert sich nicht, wenn man in diesen Zustand kommt. Schließlich sind Sie ja im Grunde ein Computer, der so reagiert, wie er programmiert wurde. Was Sie davon abhält, auf die natürliche Weise zu funktionieren, sind ja gerade die Anstrengungen, die Sie gegenwärtig unternehmen, um sich selbst zu ändern. Die Persönlichkeit wird dieselbe bleiben. Erwarten Sie nicht, daß so jemand frei von Zorn und Idiosynkrasien sei. Erwarten Sie nicht eine Art spiritueller Demut. Ein solcher Mensch kann die arroganteste Person sein, der Sie jemals begegnet sind, denn er faßt das Leben an einer einzigartigen Stelle, wo noch keiner vor ihm war.
Aus diesem Grund verleiht jeder Mensch, der in diesen Zustand gekommen ist, dem auf eine andere Weise Ausdruck, in den Worten, die seiner Zeit gemäß sind. Aus dem gleichen Grund werden auch zwei Menschen, die sich zur selben Zeit in diesem Zustand befinden, niemals zusammenkommen. Sie werden nicht Hand in Hand auf der Straße tanzen und singen: "Wir sind selbstverwirklichte Menschen. Wir gehören dazu."
Die natürlichen Grundbedürfnisse des Menschen sind: Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem Kopf. Dafür müssen Sie entweder arbeiten, oder Sie bekommen es von jemandem. Wenn das die einzigen Bedürfnisse sind, ist es nicht schwer, sie zu erfüllen. Sich selbst diese Grundbedürfnisse vorzuenthalten, ist kein Zeichen von Spiritualität; aber mehr als Nahrung, Kleidung und Unterkunft zu verlangen, ist Ausdruck eines neurotischen Geisteszustandes.
Ist Sex kein grundlegendes menschliches Bedürfnis? Sex hängt vom Denken ab; der Körper selbst hat keinen Sex. Nur die Genitalien und wahrscheinlich das hormonelle Gleichgewicht unterscheiden Mann und Frau. Es ist das Denken, das sagt: "Ich bin ein Mann, und das hier ist eine Frau, eine attraktive Frau." Es ist das Denken, das sexuelle Gefühle im Körper interpretiert und sagt: "Das sind sexuelle Gefühle." Und es ist das Denken, das für die Steigerung sorgt, ohne die Sex nicht möglich wäre. "Es wäre schöner, die Hand dieser Frau zu halten, als sie nur anzuschauen. Es wäre schöner, sie zu küssen, als sie nur zu umarmen", und so weiter. Im natürlichen Zustand gibt es keine Steigerung des Denkens. Ohne sie ist Sex unmöglich. Und Sex ist ungeheuer gewalttätig für den Körper. Er ist normalerweise ein sehr friedlicher Organismus, und dann unterwerfen Sie ihn dieser gewaltigen Spannung und ihrer anschließenden Entladung, die Ihnen ein Wohlgefühl verschaffen. Tatsächlich ist das für den Körper schmerzhaft.
Aber dadurch, daß Sie den Sex unterdrücken oder ihn zu sublimieren versuchen, werden Sie niemals in diesen Zustand gelangen. Solange Sie an Gott denken, werden Sie Gedanken an Sex haben. Sie können jeden religiösen Sucher fragen, den Sie kennen und der zölibatär lebt, ob er nachts nicht von Frauen träumt. Der Höhepunkt einer sexuellen Erfahrung ist so ungefähr das einzige in Ihrem Leben, das einer originellen Erfahrung aus erster Hand nahe kommt; der Rest Ihrer Erfahrungen ist aus zweiter Hand, sie kommen von jemand anderem. Warum weben Sie so viele Tabus und Ideen darum herum, warum zerstören Sie die Freude am Sex? Nicht, daß ich Genußsucht und Promiskuität befürworte, aber durch Abstinenz und Keuschheit werden Sie überhaupt nichts erreichen.
Es muß ein lebendiger Kontakt bestehen. Wenn Sie aus diesem Zimmer hinausgehen, verschwinden Sie aus meinem Bewußtsein. Wo Sie sind oder warum Sie nicht da sind - solche Fragen tauchen gar nicht erst auf. In mir gibt es keine Vorstellungen, für sie ist kein Raum vorhanden. Das System der Sinneswahrnehmungen ist vollkommen mit den Dingen beschäftigt, die ich gerade ansehe. Es besteht ein lebendiger Kontakt mit allem, was im Raum ist, und nicht mit Dingen, die nicht vorhanden sind. Wenn man also völlig auf die sensorischen Aktivitäten eingestimmt ist, dann ist da kein Platz mehr, um sich etwa darüber Sorgen zu machen, wer einem am nächsten Tag zu Essen geben wird, oder für Spekulationen über Gott, Wahrheit und Wirklichkeit.
Das ist kein Zustand des Allwissens, in dem die ewigen Fragen der Menschheit beantwortet wären; es ist vielmehr ein Zustand, in dem das Fragen aufgehört hat, weil diese Fragen keinen Bezug dazu haben, wie der Organismus funktioniert - und wie der Organismus funktioniert, läßt keinen Raum für diese Fragen mehr offen.
Der Körper besitzt einen außergewöhnlichen Mechanismus, um sich selbst erneuern zu können. Das ist deshalb notwendig, weil die Sinne im natürlichen Zustand ständig auf dem Maximum ihrer Empfindungsfähigkeit funktionieren. Wenn die Sinne dann ermüden, kommt der Körper zum Ersterben. Das ist ein wirklicher physischer Tod und nicht nur ein mentaler Zustand. Das kann ein- oder mehrmals täglich geschehen. Man entscheidet sich nicht dafür, durch diesen Tod hindurch zu gehen, er kommt auf einen hernieder. Zuerst fühlt es sich so an, als hätte man ein Betäubungsmittel erhalten. Die Sinne werden immer mehr getrübt, der Herzschlag verlangsamt sich, Hände und Füße werden eiskalt, und der ganze Körper wird so steif wie eine Leiche. Aus dem ganzen Körper fließt Energie hin zu einem bestimmten Punkt. Es ist jedesmal anders. Das Ganze dauert achtundvierzig oder neunundvierzig Minuten. Während dieser Zeit fließt der Strom der Gedanken weiter, aber die Gedanken werden nicht gelesen. Schließlich setzt alles aus - der Gedankenstrom ist abgeschnitten. Es gibt keine Möglichkeit zu wissen, wie lange es dauert, denn das ist keine Erfahrung. Es gibt nichts, was man über die Zeit des 'Aussetzens' sagen könnte, da es niemals Teil der bewußten Existenz oder des bewußten Denkens werden kann.
Man weiß nicht, was einem vom Tode zurückbringt. Wenn man in diesem Moment einen Willen besäße, könnte man beschließen, nicht zurückzukommen. Wenn das 'Aussetzen' vorbei ist, fängt der Gedankenfluß genau an der Stelle wieder an, an der er aufgehört hat. Der Körper fühlt sich steif an, er beginnt sich langsam aus eigener Kraft wieder aufzuraffen und geschmeidig zu werden. Die Bewegungen sind mehr wie beim chinesischen T'ai Chi als bei Hatha Yoga. Wahrscheinlich haben die Schüler die Dinge beobachtet, die mit den Lehrern passierten - sie stellten sie dar und lehrten schließlich Hunderte von Stellungen - die aber alle wertlos sind. Es sind außergewöhnliche Bewegungen. Diejenigen, die gesehen haben, wie sich mein Körper bewegt, sagen, es sei die Körperhaltung eines neugeborenen Kindes. Dieses 'Aussetzen' schafft eine völlige Erneuerung der Sinne, der Drüsen und des Nervensystems, danach funktionieren sie optimal.
Sie werden den Tod nicht fühlen, denn es gibt für Sie keinen Tod; der eigene Tod läßt sich nicht erfahren. Wurden Sie geboren? Leben und Tod können nicht getrennt werden; Sie haben überhaupt keine Chance, selbst herauszufinden, wann das eine beginnt und das andere endet. Man kann den Tod eines andern erleben, nicht jedoch den eigenen. Der einzige Tod ist der physische Tod; es gibt keinen psychologischen Tod.
Warum haben Sie solche Angst vor dem Tod?
Ihre erfahrende Struktur kann sich kein Ereignis vorstellen, das sie nicht erleben könnte. Sie erwartet sogar, über die eigene Auflösung zu präsidieren, also überlegt sie sich, wie sich der Tod anfühlen wird; sie versucht, das Gefühl zu projizieren, wie es sein wird, nicht zu fühlen. Aber um eine zukünftige Erfahrung vorauszusehen, braucht die Erfahrungsstruktur das Wissen von ähnlichen Erfahrungen in der Vergangenheit, die sie als Bezugspunkte abrufen kann. Sie können sich aber nicht daran erinnern, wie es war, bevor Sie geboren waren, daher gibt es auch keine Grundlage, worauf Sie Ihre künftige Nichtexistenz projizieren könnten. Solange Sie das Leben kennen, haben Sie auch sich selbst gekannt. Sie waren immer dabei, also haben Sie für sich selbst ein Gefühl der Ewigkeit. Um dieses Gefühl zu rechtfertigen, beginnt die Struktur, sich selbst zu überzeugen, daß es ein Leben nach dem Tode für sie gäbe, den Himmel, Reinkarnation, die Seelenwanderung usw. Was glauben Sie denn, was da reinkarnieren würde? Wo ist denn diese Ihre Seele? Können Sie sie spüren, berühren, mir zeigen? Was gibt es denn da in Ihnen, das in den Himmel kommt? In Ihrem Innern ist nichts als Angst.
Warum träumen Sie? Sie haben das Gefühl, daß da jemand sei, ein Selbst, das über Ihre Wahrnehmungen Regie führt und das, was gesehen, gehört und gefühlt wurde, interpretiert, das die Augen lenkt und sagt: "Das ist schön. Das ist häßlich. Ich werde mir das ansehen und jenes nicht." Aber auf diese Art können Sie keine Kontrolle ausüben, obwohl Sie glauben, daß Sie es könnten; denn die Kamera nimmt die ganze Zeit über Bilder auf und das Bandgerät Töne, gleichgültig wie lange Sie mit Augen und Ohren bei diesen Dinge verweilen. Wenn der Körper sich dann im Ruhezustand befindet oder die Gedanken passiv werden, kommen diese Dinge in Bruchstücken wieder zum Vorschein und werden zu einer Art Mosaik - man beginnt zu träumen. Wenn dieser 'Jemand' aber nicht da ist, gibt es nichts, das sagt: "Ich habe geschlafen, ich habe geräumt, und jetzt bin ich wach."
Was ist Moral? Sie ist nicht das Befolgen auferlegter Verhaltensregeln. Es geht dabei nicht darum, Haß, Wut, Gier, Wollust und Gewalt zu besiegen oder über den Versuchungen zu stehen. Dadurch, daß Sie Ihre Handlungen 'vorher' und 'nachher' in Frage stellen, wird das moralische Problem erst geschaffen. Die Fähigkeit, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden und Ihre Taten entsprechend auszurichten, ist hierfür verantwortlich.
Leben heißt Handeln. Handeln, das nicht in Frage gestellt wird, ist moralisch. Durch das Infragestellen des Handelns wird die Ausdruckskraft des Lebens zerstört. Ein Mensch, der das Leben auf seine eigene Weise ohne Schutzgedanken agieren läßt, hat kein Selbst zu verteidigen. Welchen Grund sollte er dafür haben, zu lügen, zu betrügen und zu heucheln oder all die anderen Taten zu begehen, die die Gesellschaft als unmoralisch betrachtet?
Was hält Sie davon ab, in Ihrem natürlichen Zustand zu sein? Sie bewegen sich ständig von sich selbst weg. Sie wollen, entweder permanent oder doch wenigstens für den Augenblick, glücklich sein. Sie sind mit Ihren Alltagserfahrungen unzufrieden, und so wollen Sie neue haben - Sie wollen sich vervollkommnen und verändern. Sie strengen sich an und wollen etwas anderes sein, als Sie es sind. Aber das ist es gerade, was Sie von sich selbst entfernt.
Die Gesellschaft hat vor Ihnen das Ideal des 'perfekten Menschen' aufgebaut. Gleichgültig, in welche Kultur Sie auch hineingeboren werden, Sie bekommen schriftliche Doktrinen und Traditionen vermittelt, die Ihnen sagen, wie Sie sich zu benehmen hätten. Man sagt Ihnen, daß Sie durch gehörige Übung schließlich den Zustand erreichen können, der von den Weisen, Heiligen und Rettern der Menschheit erlangt wurde. Also versuchen Sie, Ihr Verhalten und Ihre Gedanken zu kontrollieren und etwas Unnatürliches zu sein.
Wir leben alle in einer 'Gedankensphäre'. Ihre Gedanken sind nicht Ihre eigenen; sie gehören jedermann. Es sind nur Gedanken, aber Sie schaffen einen Gegengedanken, den Denker, mit dem Sie dann jeden Gedanken lesen. Ihre Bemühung, das Leben zu kontrollieren, hat in Ihnen sekundäre Gedankengänge geschaffen, die Sie das 'Ich' nennen. Diese innere Denkbewegung läuft parallel zur Bewegung des Lebens, ist aber von ihr isoliert; sie kann das Leben niemals fassen. Sie sind eine lebendige Kreatur, und doch wird Ihr ganzes Leben innerhalb des Bezirks dieser isolierenden parallelen Gedankengänge gelebt. Sie schneiden sich vom Leben ab. Das ist völlig unnatürlich.
Der natürliche Zustand ist kein 'gedankenloser Zustand' - das zu behaupten, ist einer der größten Schwindel, der seit Tausenden von Jahren an armen hilflosen Hindus begangen wird. Sie werden niemals ohne Gedanken sein - bis der Körper ein Leichnam ist, eine sehr tote Leiche. Denken zu können, ist für das Überleben notwendig. Aber in diesem (natürlichen) Zustand hört das Denken auf, Sie zu strangulieren. Es fällt in seinen natürlichen Rhythmus. Da gibt es kein 'Du' mehr, das die Gedanken liest und glaubt, es seien 'seine' Gedanken.
Haben Sie sich diese parallelen Gedankengänge jemals angesehen? In den Grammatikbüchern steht, daß 'ich' ein Personalpronomen in der ersten Person Singular ist, subjektiver Kasus - aber das ist es nicht, was Sie wissen wollen. Können Sie dieses Ding, das Sie 'Ich' nennen, ansehen? Es ist sehr schwer faßbar. Sehen Sie es sich jetzt an, fühlen Sie es, berühren Sie es, und sagen Sie es mir dann. Wie sehen Sie es an? Und was ist das Ding, welches das sogenannte 'Ich' ansieht? Darin liegt die Crux des ganzen Problems: das, was das 'Ich 'ansieht, ist das 'Ich'. Es schafft eine illusorische Teilung von sich selbst in Subjekt und Objekt, und durch diese Trennung verewigt es sich. So wirkt das Trennende in Ihnen, in Ihrem Bewußtsein. Das 'Du' ist ausschließlich an der Fortdauer seiner Existenz interessiert. Solange Sie es verstehen wollen oder es in etwas Spirituelles, etwas Heiliges, Schönes oder Herrliches verwandeln möchten, solange wird es erhalten bleiben. Wenn man es in Ruhe läßt, ist es nicht da, dann ist es verschwunden.
Wie ist das zu verstehen? Aus praktischen Gründen habe ich diese Behauptung aufgestellt: "Das Gesehene unterscheidet sich nicht vom Seher." Was wollen Sie mit so einer Behauptung anfangen? Welches Instrument steht Ihnen zur Verfügung, solch eine sinnlose, unlogische und irrationale Behauptung zu verstehen? Sie fangen an zu denken. Durch Denken versteht man gar nichts. Sie interpretieren das, was ich sage, ebenso in Begriffen des schon vorhandenen Wissens, wie Sie alles andere auch interpretieren - nämlich, um daraus einen Nutzen zu ziehen. Wenn Sie damit aufhören, erscheint das, was ich beschreibe. Das Nichtvorhandensein dessen, was Sie tun - d.h. versuchen zu verstehen oder sich zu ändern - ist der Seinszustand, den ich beschreibe.
Gibt es ein Jenseits? Weil Sie sich nicht für die Sie umgebenden alltäglichen Dinge und Geschehnisse interessieren, haben Sie etwas wie das 'Jenseits' oder 'Zeitlosigkeit' oder 'Gott'. 'Wahrheit', 'Realität', 'Brahman', 'Erleuchtung' und was auch immer, erfunden, und danach suchen Sie. Vielleicht gibt es gar kein Jenseits. Sie wissen überhaupt nichts über dieses Jenseits; alles, was Sie wissen, wurde Ihnen nur berichtet. Also projizieren Sie dieses Wissen. Was Sie 'Jenseits' nennen, wird von dem Wissen erschaffen, das Sie über dieses Jenseits haben, und das Wissen, das Sie haben, ist genau das, was Sie erfahren werden. Das Wissen schafft die Erfahrung, und dann verstärkt die Erfahrung das Wissen.
Was Sie kennen, kann niemals das Jenseits sein. Was immer Sie erfahren, ist nicht das Jenseits. Wenn es irgendein Jenseits gibt, gibt es dort keine Denkbewegung. Wahrscheinlich ist die Abwesenheit dieser Bewegung das Jenseits, aber das Jenseits kann niemals erfahren werden; es ist dann, wenn das 'Du' nicht ist. Warum versuchen Sie etwas zu erfahren, das nicht erfahren werden kann?
Sie müssen das, was Sie ansehen, immer erkennen, sonst sind Sie nicht da. Im selben Augenblick, in dem Sie interpretieren, ist das 'Du 'dabei. Sie sehen etwas und erkennen, daß es eine Tasche ist, eine rote Tasche. Das Denken mischt sich in die Sinneswahrnehmung ein, indem es sie interpretiert. Warum macht das Denken das? Und können Sie etwas dagegen tun? In dem selben Moment, in dem Sie etwas anschauen, taucht im Innern ein Wort auf: 'Tasche', und wenn nicht 'Tasche', dann 'Bank' oder 'Treppengeländer', 'Stufe', 'da sitzt ein Mann, er hat weißes Haar'. Das geht immer so, Sie wiederholen sich ständig. Wenn Sie das nicht tun, sind Sie mit etwas anderem beschäftigt: "Ich komme zu spät ins Büro." Sie denken entweder an etwas, das in keinerlei Zusammenhang damit steht, wie die Sinne in diesem Moment funktionieren, oder Sie schauen und sagen: "Das ist eine Tasche, eine rote Tasche" usw. Und das ist alles. Das Wort 'Tasche' trennt Sie von dem, was da ist, sonst gäbe es keinen Raum zwischen beidem.
Jedesmal, wenn ein Gedanke geboren wird, werden Sie geboren. Wenn der Gedanke weg ist, sind auch Sie weg. Aber das 'Du' läßt den Gedanken nicht gehen, und was dem 'Du' Fortdauer verleiht, ist das Denken. Aber tatsächlich gibt es keine permanente Wesenheit in Ihnen, keine Gesamtheit all Ihrer Gedanken und Erfahrungen. Sie glauben, daß da 'jemand' sei, der Ihre Gedanken denkt, 'jemand', der Ihre Gefühle fühlt. Das ist die Illusion. Ich kann sagen, daß es eine Illusion ist, aber für Sie ist es keine Illusion.
Ihre Emotionen sind zwar mehr komplex, aber hier ist es der gleiche Vorgang. Warum müssen Sie sich selbst erzählen, daß Sie wütend sind, daß Sie auf jemand eifersüchtig sind, oder daß der Sex Sie plagt? Ich sage nichts über befriedigt oder unbefriedigt sein. In Ihnen ist eine Empfindung, und Sie sagen, Sie seien deprimiert oder unglücklich oder selig, eifersüchtig, gierig, neidisch. Dieses Etikettieren erschafft denjenigen, der diese Gefühle interpretiert. Was Sie das 'Ich' nennen, ist nichts als dieses Wort 'rote Tasche', 'Bank', 'Stufen', 'Treppengeländer', 'Glühbirne', 'ärgerlich', 'selig', 'eifersüchtig', oder was auch immer. Sie zwingen Ihre Gehirnzellen zu unnötiger Aktivität, wenn die Gedächtniszellen ununterbrochen funktionieren müssen und dadurch die ganze dort vorhandene Energie verbrauchen. Das erschöpft Sie nur.
Diese Etikettieren ist dann nötig, wenn man mit jemand anderem oder sich selbst kommunizieren muß. Aber Sie kommunizieren ständig mit sich selbst. Warum tun Sie das? Der einzige Unterschied zwischen Ihnen und jemandem, der laut mit sich selbst spricht, ist, daß Sie es eben nicht laut tun. In dem Moment, wo Sie laut mit sich selbst reden, kommt schon der Psychiater herbei - der natürlich genau dasselbe macht wie Sie, indem er ständig zu sich selber spricht: 'Tasche', 'rote Tasche', 'obsessiv', 'kompulsiv', 'Oedipuskomplex', 'gierig', 'Bank', 'Treppengeländer', 'Martini'. Dann sagt er, daß etwas mit Ihnen nicht stimmt, legt Sie auf seine Couch und will Sie ändern, Ihnen helfen.
Warum können Sie die Empfindungen nicht alleine lassen? Warum interpretieren Sie? Sie tun das, weil Sie nicht vorhanden sind, wenn Sie nicht mit sich selbst kommunizieren. Und diese Aussicht läßt das 'Du' erschaudern.
Was immer Sie auch erleben mögen - Friede, Seligkeit, Stille, Schönheit, Ekstase, Freude, der Himmel weiß was - es wird immer alt und aus zweiter Hand sein. Sie besitzen schon das Wissen über all diese Dinge. Die Tatsache, daß Sie sich in einem glückseligen Zustand oder einem Zustand der ungeheuren Stille befinden, bedeutet, daß Sie es wissen. Man muß eine Sache kennen, um sie erfahren zu können. Dieses Wissen ist nichts Wunderbares oder Metaphysisches; 'Bank', 'Tasche', 'rote Tasche' ist das Wissen. Wissen ist etwas, das von jemand anderem in Sie hineingebracht worden ist, und auch dieser andere hat es von jemand anderem; es ist also nie Ihr Wissen.
Können Sie ein einfaches Ding erleben, wie die Bank, die Ihnen gegenübersteht? Nein. Alles, was Sie erleben, ist das Wissen, das Sie darüber haben. Und das Wissen ist immer von irgendeiner Stelle außerhalb Ihrer selbst vermittelt worden. Sie denken die Gedanken Ihrer Gesellschaft, fühlen die Gefühle Ihrer Gesellschaft und erleben die Erfahrungen Ihrer Gesellschaft. Es gibt keine neue Erfahrung.
Also muß alles, was jeder Mensch jemals gedacht oder gefühlt hat, aus Ihrem Organismus verschwinden. Und Sie sind das Produkt all dieses Wissen - das ist alles, was Sie sind.
Was ist das Denken? Sie wissen überhaupt nichts darüber; alles, was Sie darüber zu wissen glauben, wurde Ihnen gesagt. Wie können Sie damit etwas tun, z.B. es gestalten, kontrollieren, formen oder stoppen? Sie versuchen die ganze Zeit über, etwas damit zu machen, denn man hat Ihnen erzählt, Sie müßten dieses verändern und jenes ersetzen, die guten Gedanken bewahren, die schlechten dagegen nicht. Gedanken sind Gedanken und weder gut noch schlecht. Solange Sie mit dem, was immer auch da ist, etwas tun wollen, solange denken Sie. Wollen und Denken sind nicht verschieden. Das Verstehenwollen ist eine Denkvorgang. Sie fügen diesem Vorgang Impulse hinzu und verleihen ihm somit Dauer.
Ihre Sinne funktionieren unnatürlich, weil Sie sie dazu benutzen wollen, etwas zu bekommen. Warum sollten Sie etwas bekommen? Weil Sie wollen, daß das, was Sie das 'Du' nennen, Bestand hat. Das Denken ist ein Schutzmechanismus: er schützt das 'Du' auf Kosten von etwas oder jemand anderem. Alles, was aus dem Denken hervorwächst, ist destruktiv. Es wird letztendlich Sie und Ihre Art zerstören.
Es ist der zwanghafte Charakter des Denkens, der sie kaputtmacht. Was kann man also dagegen tun? - das ist alles, was Sie fragen können. Das ist die einzig wahre Frage, und jegliche Antwort, die ich oder sonst jemand darauf geben kann, fügt den Gedankengängen Impulse hinzu. Was können Sie dagegen tun? Gar nichts. Es ist zu stark: es besitzt die Dynamik von Millionen von Jahren. Sie sind absolut hilflos, und Sie können sich dieser Hilflosigkeit nicht bewußt werden.
Wenn Sie irgendein System von Bewußtseinskontrolle anwenden, ist automatisch das Denken da und wird dadurch verstärkt. Haben Sie jemals meditiert, richtig ernsthaft meditiert? Oder kennen Sie jemanden, der es gemacht hat? Keiner tut das. Denn wenn Sie es tun, werden Sie in der Irrenanstalt landen. Ebensowenig können Sie Achtsamkeit üben, indem Sie versuchen, jeden Augenblick Ihres Lebens bewußt zu sein. Sie können sich nicht bewußt sein. Sie und Bewußtheit können nicht koexistieren. Wenn Sie einmal in Ihrem Leben für eine Sekunde in einem Zustand der Bewußtheit sein könnten, dann wäre die Kontinuität zerbrochen, die Illusion der erfahrenden Struktur, das 'Ich', würde kollabieren, und alles würde in seinen natürlichen Rhythmus fallen. In diesem Zustand wissen Sie nicht, was Sie anschauen - das ist Bewußtheit. Wenn Sie erkennen, was Sie ansehen, sind Sie bei dem, was Sie wissen, und Sie erleben wieder das, was Sie schon wissen.
Wie kommt es, daß eine Person in ihren natürlichen Zustand gelangt und die andere nicht? Ich weiß es nicht. Vielleicht steht es in den Genen geschrieben. Es ist akausal. Es ist keine Willensleistung auf Ihrer Seite; Sie können es nicht herbeiführen. Es gibt absolut nichts, was Sie tun können. Sie können jedem Menschen mißtrauen, der Ihnen sagt, wie er in diesen Zustand gekommen sei. Es gibt nur ein Ding, dessen Sie sich sicher sein können, und das ist, daß er es unmöglich wissen kann und daß er es Ihnen unmöglich vermitteln kann. Der Körper verfügt über einen Auslösemechanismus. Wenn die erfahrende Struktur des Denkens einmal loslassen sollte, dann wird dieses andere auf seine Art die Führung übernehmen. Dann wird das Funktionieren des Körpers ein vollkommen anderes sein - ohne das Dazwischentreten des Denkens, außer dann, wenn es erforderlich ist, mit jemandem zu kommunizieren. Um es in der Boxersprache auszudrücken: "Sie müssen das Handtuch werfen." Sie müssen absolut hilflos sein. Niemand kann Ihnen helfen, und Sie können sich selbst nicht helfen.
Dieser Zustand liegt nicht in Ihrem Interesse. Sie sind nur an Fortdauer interessiert. Sie wollen, wahrscheinlich auf einem anderen Niveau, weitermachen und in einer anderen Dimension funktionieren - aber funktionieren wollen Sie. Sie würden das nicht mit der Feuerzange anfassen wollen. Es wird das, was Sie das 'Du' nennen, liquidieren, und zwar alles - das höhere Selbst, das niedere Selbst, die Seele, Atman, Bewußtes und Unbewußtes. Sie kommen an einen bestimmten Punkt und sagen dann: "Ich brauche Zeit." Also kommt Sadhana (religiöses Streben und Bemühen) ins Bild, und Sie sagen zu sich selbst: "Morgen werde ich verstehen." Diese Struktur ist aus Zeit gemacht und funktioniert in der Zeit, sie hört aber durch die Zeit nicht auf. Wenn Sie es jetzt nicht verstehen, werden Sie es auch morgen nicht verstehen. Was gibt es da zu verstehen? Warum wollen Sie verstehen, was ich sage? Sie können nicht verstehen, was ich sage. Es ist eine Übung in Vergeblichkeit Ihrerseits, wenn Sie versuchen, die Beschreibung der Art und Weise, in der ich funktioniere auf die Weise in Beziehung zu setzen, in der Sie funktionieren. Das ist etwas, was ich nicht mitteilen kann. Es ist auch keine Kommunikation nötig. Kein Dialog ist möglich. Wenn das 'Du' nicht da ist, wenn die Frage nicht da ist, ist das, was ist - Verstehen. Sie sind am Ende. Sie werden hinausgehen. Sie werden niemals mehr auf jemanden hören, der diesen Zustand beschreibt, noch werden Sie irgendwelche Fragen über das Verstehen stellen.
Wonach Sie suchen, existiert nicht. Sie möchten lieber auf verzaubertem Boden wandeln, wo seligmachende Visionen zeigen, wie Ihr nichtexistierendes Selbst radikal in einen Seinszustand umgewandelt wird, der mit ein paar Zauberformeln heraufbeschworen werden kann. Das bringt Sie vom natürlichen Zustand ab - es ist eine Bewegung weg vom Selbst. Sie selbst zu sein bedarf außergewöhnlicher Intelligenz; niemand braucht Ihnen die zu geben, niemand kann sie von Ihnen wegnehmen. Derjenige, der sie auf die ihm eigene Weise zum Ausdruck kommen läßt, ist ein natürlicher Mensch.